Als Medizin (vom lat. medicina, Heilkunde) bezeichnet man die Wissenschaft der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen. Ausgeübt wird sie von speziell hierfür ausgebildeten Heilkundigen, mit dem Ziel, die Gesundheit der Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei sprechen wir generell im Bereich der Medizin über mehrere unterschiedliche Berufsgruppen wie beispielsweise Ärzte, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Medizinisch Technische Assistenten, aber auch Apotheker und noch viele mehr.

Digitalisierung in der Medizin

Auch und gerade vor der Medizin macht die Digitalisierung nicht Halt. Ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf: Telemedizin ermöglicht die Behandlung von Patienten auch in weiter Ferne, mit elektronischen Rezepten und Krankmeldungen lässt sich Papier sparen und digitale Speichermethoden ermöglichen es z.B. im Krankenhaus jedem Arzt in jeder Abteilung, Röntgenbilder oder Laborbefunde ihrer Patienten sofort abzurufen, sobald sie verfügbar sind.

Mein erster Interviewpartner ist Dr. Stefan Noé. Er ist Apotheker und Inhaber der Bärenapotheke Hagsfeld (Twitter). Die Bärenapotheke ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie die Digitalisierung bei den täglichen Aufgaben und Problemstellungen helfen kann. Mit dem angebundenen Shop zur Vorbestellung z.B. können Kunden ihre Medikamente vorbestellen und somit sicherstellen, dass sie vorrätig sind, wenn sie zur Abholung vorbeikommen.

Vorbestellung bequem im Shop auf der Webseite, inkl. Angabe des möglichen Abholzeitpunktes (© Screenshot Webseite Bärenapotheke)

Modernste Hilfsmittel im Einsatz

Mit Anbindung an modernste Datenbanken und einem digitalisierten, mechanisch-gesteuerten Warenlager ist die Bärenapotheke bereit für die Zukunft. So viel Technik und Nutzung digitaler Hilfsmittel bringt aber nicht nur Vorteile: Datenschutz und Privacy sind stetiges Thema, wenn Nutzerdaten und in diesem Fall Patientendaten erhoben und verarbeitet werden.

badidol:

Dr. Noé, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Bevor wir zu spezifischen Fragen kommen, zunächst die Frage: wie war Ihr eigener Weg in die digitale Welt? Haben Technologie und Digitalisierung Sie schon immer interessiert oder sind sie eher Mittel zum Zweck für Sie?

Dr. Noé:

Ich war immer schon “Early Adopter”, was digitale Medien und Hilfsmittel anging. Damals an der Uni hatten wir auch schon früher und einfacheren Zugriff auf diese, als der Otto-Normal-Nutzer. Wir sprechend hier aber auch von den Anfangszeiten, als Traffic noch richtig Geld kostete und Flatrates noch nicht existierten. Als Digital Native würde ich mich aber nicht bezeichnen, eher so als “Digital Immigrant”. Was die Apotheke betrifft: Apotheken waren eigentlich schon recht früh sehr offen für technologische und digitale Hilfsmittel. Wir haben schon vor rund 30 Jahren mit Lochkarten und frühen Systemen die Warenbestellung vereinfacht oder die Katalogisierung. Für hilfreiche Dinge, die uns Arbeit abnehmen und uns damit mehr Zeit für den direkten Kundenkontakt, Beratung und co. lassen, sind wir immer offen.

badidol:

Ihre Webseite ist modern, aufgeräumt, gut strukturiert und performant. Haben Sie das alles selbst gemacht oder sich Hilfe gesucht?

Dr. Noé:

Meine allererste Webseite hatte ich noch mit einem Webbaukasten selbst gemacht. Die bot aber letztlich nicht den Funktionsumfang und die Convenience, aber auch nicht die User Experience, die ich wollte. Die aktuelle Webseite ist eine Lösung der Apothekenkooperation Pharma Privat Wave. Die ist in der Tat super und die Kooperation bietet einen super Service. Auch die Optionen fürs Customizing sind großartig: über die Administrationsoberfläche konnte ich mit wenigen, sehr einfachen Handgriffen deren Framework auf meine Corporate Identity anpassen. Die haben auch den enormen Vorteil, dass sie als Apothekenkooperation auch was vom Apothekenbusiness verstehen und genau wissen, worauf es bei einer guten Apothekenwebseite ankommt.

badidol:

Beim Umgang mit Patientendaten ist Datenschutz immer ein besonders prickelndes Thema. Jeder von uns kennt das: man steht beim Arzt am Empfang, unterschreibt die Datenschutzbelehrung und 2 Minuten später fragt die Sprechstundenhilfe laut und deutlich hörbar “Stimmt die Rufnummer xxxx-xxxxxxxx noch, Herr/Frau Name?”. Ist Datenschutz für Sie ein schwieriges Thema?

Dr. Noé:

Ja, das Beispiel kennt wohl jeder. Der Datenschutz ist natürlich extrem wichtig, gerade bei Patientendaten. Obwohl wir das bei unserer Größe eigentlich nicht müssten, leisten wir uns eine eigene Datenschutzbeauftragte. Gerade als Stadtteilapotheke haben wir allerdings häufig die Erfahrung gemacht, dass wir uns da mehr Gedanken machen als unsere Kunden. Hier vor Ort im Stadtteil ist es letztlich wie auf dem Dorf. Jeder kennt jeden und gerade die älteren Kunden möchten vom Datenschutz oft nur wenig wissen, sondern bequem und gut beraten ihren Einkauf erledigen. Wir versuchen dennoch, da ein gewisses Bewusstsein zu schaffen und sprechen immer auf unsere App und den gesicherten Shop auf unserer Webseite an.

Wir haben aber auch für das Beispiel mit der Theke beim Arzt vorgesorgt: bei der Beratung beim Verkauf der “Pille danach” z.B. verziehen wir uns mit der Kundin in einen abgetrennten Beratungsbereich.

Aussenansicht Bären-Apotheke
Die Bärenapotheke in Hagsfeld. Traditionell, aber nicht altbacken. (© Bild Webseite Bärenapotheke)

badidol:

Im Laufe der Corona-Pandemie waren Apotheken mitunter schon mal stark gefordert, zum Beispiel mit dem Ausstellen digitaler Impfzertifikate. Aus Ihrer Sicht und Erfahrung heraus: wie gut ist Deutschland auf solche digitalen Herausforderungen vorbereitet?

Dr. Noé:

Gerade, weil Apotheken eigentlich schon immer recht offen für digitale und technologische Hilfsmittel waren, waren wir selbst da relativ gut vorbereitet. Tatsächlich war es für uns mitunter häufig schwieriger und auch nerviger, darauf warten zu müssen, dass Behörden und der Staat mal vorankommen. Wir waren im Grunde für viele der Herausforderungen bereits gerüstet oder zumindest so weit, dass wir schnell hätten reagieren können. Deutschland als Staat leider eher nicht so. Zu viel war zu bürokratisch und papierhaft.

Nicht alltäglich – sogar eine eigene App gehört zum Angebot

badidol:

Die Bärenapotheke hat neben einer modernen Webseite mit Shop auch eine iOS App, eine Android App ist in Planung. Empfinden Sie solche Angebote als angenehme Zusatzleistung, oder gehört das mehr und mehr einfach dazu mittlerweile?

Dr. Noé:

Es ist immens wichtig für uns, mit der Zeit zu gehen. Smartphones, Apps, das alles ist allgegenwärtig. Gerade jüngere Kunden machen Vieles mit dem Smartphone. Dass Angebote auch mobil gut aussehen und nutzbar sind, wird immer unerlässlicher. Und es ist natürlich auch für die Kundenbindung – gerade auch bei jüngeren Kunden – von Vorteil, wenn unser Bär den Kunden auf dem Bildschirm entgegenlächelt 🙂

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Impfung in der Apotheke (© Bild Webseite Bärenapotheke)

badidol:

Seit Mitte Februar ist es in der Bärenapotheke auch möglich, sich gegen Covid19 impfen zu lassen (Erst- und Boosterimpfungen). Die Anmeldung erfolgt über die Webseite. Wie aufwendig oder schwierig war es für Sie, diese Extraleistung zu erbringen und welche besonderen Herausforderungen stellte dies an ihre digitale Infrastruktur?

Dr. Noé:

Auch da waren wir eigentlich gut vorbereitet. Sichere Netzwerke und Kommunikationswege zur Kommunikation mit RKI und co. waren ja bereits vorhanden und ohnehin schon genutzt worden. Die Probleme, die sich uns da stellten, waren eher nicht-technischer Natur: der Ansturm war tatsächlich hier bei uns groß und es war eher ein Manpowerproblem als ein technisches. Die eingesetzten Softwares und Abläufe waren geeignet und ausgeklügelt: bei der Anmeldung bekommt der Kunde bereits Anamnesebögen und Informationsmaterial mit der Anmeldungsbestätigen zugemailt. Was auch eher problematisch war, war die ausufernde Bürokratie mit den Schulungen, der Einholung der Genehmigungen und co.

badidol:

Sie sind privat und auch mit der Bärenapotheke auf Twitter unterwegs. Stellen Sie einen Unterschied in der Art und Weise fest, wie sie jeweils mit welchem Account posten?

Dr. Noé:

Absolut. Das ist schon ein anderes Twittern. Der Apothekenaccount existierte schon vor dem privaten, letzteren habe ich mir zugelegt, als ich in den Kommunalwahlkampf eintrat. Das wollte ich einfach getrennt haben. Der “private” Account twittert schon anders, der Apothekenkanal wird seriös und faktisch informativ gehalten, ironische Bemerkungen oder Süffisanz haben dort keinen Platz.

badidol:

Welchen Stellenwert oder Einfluss hat die Nutzung von Twitter für Sie und Ihre Apotheke?

Dr. Noé:

In meinem Fall jetzt tatsächlich eher keinen großen. Der Kanal ist hauptsächlich für die Verbreitung von Informationen gut. Für tatsächliche Kundeninteraktion eignet sich da aufgrund der unterschiedlichen Demografie Facebook wohl besser. Wobei ich auch schon jüngere Kollegen viel und sehr erfolgreich bei Instagram und Youtube habe machen sehen.

badidol:

Manche Krankenkassen bieten Services zum Teilen der persönlichen Patientendaten wie z.B. Diagnosen, Medikation, etc. mit ausgewählten Ärzten, Apotheken, Krankenhäusern, etc. an. Sehen Sie als Fachmann das kritisch oder ist das eine gute Idee?

Dr. Noé:

Grundsätzlich finde ich das sehr gut. Ich glaube tatsächlich, dass das, richtig und gut gemacht, enorme Verbesserungen der Gesundheitsversorgung mit sich bringen kann. Es ist halt leider oft gerade bei den Zugangshürden schon eher ein absoluter Fail: schrecklich aufwendig und bürokratisch. Das muss doch auch einfacher gehen, trotz Datenschutz. Die 70-jährige Oma Liese holt man so halt eher nicht ab und selbst digital-affine Menschen wie Sie oder ich schreckt der enorme Aufwand bei der Einrichtung solcher Apps mit Zertifikaten und co. ja meist doch eher ab.

Die grundsätzliche Idee ist super. Jetzt müssen wir das nur noch sicher und mit deutlich niedrigerer Zugangsschwelle hinbekommen. Dennoch muss auch sichergestellt sein, dass am Ende der Patient immer die volle Entscheidungshoheit und Kontrolle über seine Daten hat. Es darf nicht sein, dass irgendwelche Akteure das zur Steuerung zu deren Gunsten nutzen. Das Stichwort heißt hier Makelverbot. Wenn wir auf diese Dinge aufpassen und die Zugangsschwellen bei Beibehaltung der Sicherheit senken, sehe ich in eRezept und ePA sehr großes Potential.

badidol:

Zum Abschluß die berühmte “3-Wünsche-Frage”. Wenn Sie 3 Wünsche bezüglich der Digitalisierung in Deutschland frei hätten, welche wären dies? Auch und natürlich gerade in Bezug auf Ihr Tätigkeitsfeld.

Dr. Noé:

Wunsch 1: sicher, einfach und kundenfreundlich umgesetzte ePA und eRezept. Das können wir sicher besser und ich sehe da enormes Potential und immense Vorteile.

Wunsch 2: sichere und abrechenbare digitale Dienstleistungen für Apotheker. Zum Beispiel digitale Verkaufs- und Beratungsgespräche für Notdienste oder als Nebenangebot. Das ist nämlich bislang eine unbezahlte Extraleistung von netten Apothekern, wenn es stattfindet. Abrechnen können wir das aktuell nicht.

Wunsch 3: generell würde ich Deutschland gerne größere, mutigere Schritte in der Digitalisierung machen sehen. In anderen Ländern ist man da mitunter schon so enorm viel weiter mit Schulapps, Bürgerdienstleistungen, eGovernment und co. Ich kenne das von meiner Tochter, die gerade in den USA im Austausch ist. Die bekamen dort vor Ort beim Schuleintritt ein Chromebook und unzählige digitale Informationen. Von so etwas wagen wir hier nicht einmal zu träumen.

badidol:

Vielen Dank für Ihre Antworten und Ihre Zeit!

Der “Digital Immigrant” wünscht sich mehr Digitalisierung und Mut

Als Digital Immigrant und Apotheker ist Dr. Noé im Vorteil: er war schon immer an digitalen Hilfsmitteln interessiert und wurde auch aufgrund seines Berufs schon frühzeitig damit “konfrontiert“. Manches technologisches Hilfsmittel, wie beispielsweise die roboter-gesteuerte Lagerverwaltung, ist aus dem modernen Apothekenalltag kaum noch wegzudenken. Datenbanken helfen dabei, dem Kunden einen besseren Service und eine bessere, umfassendere Gesundheitsversorgung zu bieten. Die Apotheke “merkt sich“, wie welches Medikament einzunehmen ist und welche Medikamente der Kunde schon gekauft hat. Der Apotheker kann so im Zweifel auch schnell potentielle Unverträglichkeiten erkennen und darauf hinweisen. Auch eine bessere, personalisiertere Beratung ist somit möglich. Zudem nehmen moderne, digitale Hilfsmittel Einiges an Arbeit ab, die sonst manuell zu erledigen wäre und Zeit in Anspruch nähme. Zeit, die so nun in den persönlichen Kundenkontakt und gute fachliche Beratung gesteckt werden kann.

Auch in diesem Interview zeigte sich mal wieder: wir haben digital- und technikaffine Leute zu Hauf, die allesamt bereit, willens und fähig wären, die nötigen, mutigen Schritte hin zu einer digitalisierten Gesellschaft zu gehen. Jetzt müssten Staat und Behörden halt nur mitspielen. Da sind andere Länder schon viel weiter. Ich habe für die Digital Natives Deutschland, ein Nebenprojekt (inzwischen eingestellt) erst letztes Jahr darüber berichtet.

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Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

Ein Gedanke zu „Medizin und Twitter #1“

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