Als digitalaffiner und auch privat sehr fauler Mensch, kommt mir die Grundidee eines eRezepts natürlich sehr entgegen. Doch funktioniert das eRezept? Wenn ja, wie? Immerhin sind wir in Deutschland bei der Digitalisierung in aller Regel recht weit hinterher.

Ich habe das heute zusammen mit Dr. Stefan Noé in seiner Bärenapotheke ausprobiert. Aufmerksame Leser werden sich an ihn erinnern, ich interviewte ihn bereits zum Thema Digitalisierung und Apotheken. Auch für ihn, als ausgesprochenen Nerd und early adopter, ist das eRezept noch neu. Denn auch, wenn viele Apotheken und Ärzte auf dem Papier seit Monaten “eRezept ready!” sind, sind es häufig die Kunden noch nicht. Der große Andrang blieb bisher aus und so hat auch noch nicht jeder Erfahrung damit.

eRezept – am Anfang steht der Arzt

Am Ende ein zufriedenes Lächeln: das Procedere hat funktioniert.

Zunächstmal benötigt man – logischerweise – einen Arzt, der ebenfalls bereits eRezept-ready ist. Mein Hausarzt ist, als ebenfalls nerdiger early adopter, schon recht früh in das Thema eRezept eingestiegen. Dennoch hat es Monate gedauert, bis er auch wirklich darauf umstellen konnte. Zu oft wurden ihm in der Frühphase durch Updates und Schwierigkeiten mit der IT Systeme zerschossen. Die Kinderkrankheiten scheinen nun jedoch überwunden. Ich musste ohnehin Nachschub für Medikamente, die ich täglich nehme, holen – eine perfekte Gelegenheit, das eRezept in seiner ursprünglich gedachten Art, nämlich papierlos, auszuprobieren.

Zur Vorsicht drucken die meisten Ärzte immer noch einen speziellen Ausdruck mit aus: falls das mit der App nicht so funktioniert.

Real Time Status in der Übersicht: wenn die Apotheke beginnt, das Rezept zu bearbeiten, sieht man das in der Übersicht.

Die App gibt es für iOS im App Store, im Google Playstore und in der Huawei App Gallery. Sie benötigt eine sogenannte eGK – die elektronische Gesundheitskarte. Diese NFC-fähige Karte wird für den Login in die Gematik App benötigt und kann einfach bei der Krankenkasse bestellt werden – direkt aus der App heraus. Hat man die Karte und die App und ist durch den zugehörigen Registrierungsprozess, über den App und Krankenkasse recht ordentlich informieren und aufklären, kann man sich einfach in der App einloggen. Hat der Arzt das Rezept ausgestellt, landet es auf den Servern der Gematik. Die App weiß sehr schnell darüber Bescheid und hält das Rezept nun zur weiteren Verarbeitung bequem in der Übersicht bereit. Ab hier hat man einige Optionen zur Auswahl, wie man das Rezept einlösen möchte. Die App ist an eine Datenbank aller Apotheken angeschlossen, die bereits in der Lage sind, es zu verarbeiten. Diese kann man bequem in der App beispielsweise über den Namen der Apotheke oder die Postleitzahl suchen. Auch einen “close to me” Filter gibt es: man kann das Rezept dann der am Nächsten gelegenen Apotheke zuweisen.

Nicht zwingend intuitiv, aber funktionell

Der erste Eindruck der App ist nicht ausnahmslos positiv. Auch oder gerade als Nerd und Digitalaffiner findet man sich nicht zwingend sofort zurecht. Besonders intuitiv ist sie nicht, aber wenn man einmal herausgefunden hat, was wo landet, ist sie sehr funktionell und einfach zu handhaben. Die nächstgelegene Apotheke, die das eRezept verarbeiten kann, ist schnell gefunden und das Rezept einfach zuzuweisen. Die Apotheke kann auch die inkludierte Chatfunktion nutzen, beispielsweise, um den Kunden wissen zu lassen, dass das Medikament abholbereit ist oder nicht vorrätig ist und bestellt werden muss. Diese Nachrichten kann der Kunde einfach in der App selbst abrufen.

Es ist auch möglich, sich einen QR Code in der App anzeigen zu lassen, den die Apotheke vor Ort einscannen kann. Hier läuft das Verfahren dann im Grunde letztlich genauso ab, wie mit einem papierhaften Rezept.

Wer keine App benutzen möchte, kann dennoch das eRezept nutzen: die elektronische Gesundheitskarte wird in der Apotheke in ein Lesegerät gesteckt und die notwendigen Informationen werden ausgelesen.

Ganz schön gesprächig: über die eingebundene Chatfunktion kann die Apotheke dem Kunden Informationen zu seiner Bestellung zukommen lassen. Antworten kann dieser jedoch nicht – immerhin ist die App kein Messenger 😉

Die App bietet jedoch noch weitere Vorteile: sie zeigt alle Rezepte der vergangenen 100 Tage an und ermöglicht zudem das Bestellen von Medikamenten direkt bei der Apotheke. Besonders bei wiederkehrenden Rezepten, wie zum Beispiel bei der täglichen Einnahme von Blutdruckmedikamenten, Diabetes, etc., ist dieses neue Verfahren sehr entlastend. Man muss kein Rezept mehr beim Arzt abholen, sondern kann einfach in der App das Rezept der Stammapotheke zuweisen. Bei Apotheken mit Lieferservice entfällt somit für Invalide und Bettlägerige sogar die Notwendigkeit, zur Abholung in die Apotheke zu müssen. Bevor nun wieder manche Panikanfälle bekommen: man muss nicht auf das eRezept umsteigen. Es ist weiterhin problemlos möglich, sein papierhaftes Rezept beim Arzt abzuholen und wie gewohnt bei der Apotheke vorzulegen.

Neu und alt – das geht zusammen

Wer kann und möchte, sollte sich jedoch den Umstieg auf das neue System überlegen. Je mehr Patienten und Kunden das tun, desto mehr Erfahrung werden die Praxen und Apotheken damit auch bekommen und desto weniger “trial and error” wird der Umgang damit über kurz oder lang sein. Und was wir uns damit an Papiermüll einsparen können, dürfte nicht von schlechten Eltern sein.

Alles auf einen Blick: dem eRezept mangelt es nicht an Informationen. Alles, was die Apotheke wissen muss, weiß sie auch mit dem eRezept noch.

Das eRezept passt sich auch recht gut in die vorhandene Infrastruktur und Software ein. Aus nachvollziehbaren Gründen, vornehmlich Datenschutz und co., werde ich hier jetzt natürlich nicht viel zeigen, aber Dr. Stefan Noé ließ mich meinen Vorgang in seinem System anschauen und live mitverfolgen. Das machte einen flüssigen, funktionalen Eindruck.

Beinahe sofort blinkte der Vorgang im System auf, nachdem ich das Rezept der Bärenapotheke zugewiesen hatte. Mit einer großen Latenz ist hier also nicht zu rechnen, obwohl ich ehrlicherweise genau das zunächst befürchtet hatte. Auch die Rückmeldung, die Dr. Noé in der Chatfunktion eingegeben hatte, war beinahe zeitgleich in der App abrufbar. Für mich als Endkunden macht das System tatsächlich einen funktionalen, ausgereiften Eindruck. Wieviel an der Unzufriedenheit manches Arztes oder Apothekers auf die langwierige Vorarbeit und schlechte Erfahrung mit der Gematik zurückzuführen ist, sollen Menschen beurteilen, die das durchleben mussten. Für mich als Patienten und Endkunden ist das Procedere tatsächlich simpel und funktioniert gut.

Datenschutz und Sicherheit – wie ist es darum bestellt?

Auch aus Security-Sicht macht das alles bisher einen guten Eindruck, wenngleich ich natürlich nicht en detail durchgeprüft habe, wo hier Haken versteckt sein könnten. Die Zugangshürden sind für den Otto-Normal-Verbraucher mit dem zweigeteilten Login über die NFC-fähige eGK und ein Passwort beinahe schon zu hoch. Hier werden viele stöhnen, denn wie wir wissen, wollen die meisten normalen Endnutzer schon irgendwie, dass ihre Apps sicher sind, aber zu viele Hürden sind dann auch nichts.

Das Passwort kann entweder als Passwort eingegeben werden oder biometrische Daten wie z.B. der Fingerabdruck können genutzt werden. Die Session für den Gematik Server hält für 12 Stunden, danach muss man sich wieder mit der eGK einloggen.

Die Datenübertragung findet verschlüsselt in eine abgesicherte Serverinfrastruktur statt – hier wird bereits Bewährtes genuzt: die sogenannte Telematikinfrastruktur (TI). Die Gematik selbst sagt hierzu:

Gesundheitsdaten zählen zu den sensibelsten Daten überhaupt. Deshalb sind alle in der Telematikinfrastruktur (TI) verarbeiteten Daten durch eine mehrstufige Sicherheitsarchitektur geschützt, die zu den besten in Europa und der Welt zählt. Die Sicherheitsexperten der gematik und ihre Kooperationspartner arbeiten jeden Tag daran, dass das auch in Zukunft so bleibt.

https://www.gematik.de/datensicherheit

Ich bin tatsächlich positiv überrascht. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich nicht damit gerechnet, dass wir eRezept können. Aber scheinbar können wir. Für mich, den Endkunden, war das Ganze ziemlich simpel und bequem. Und genau das interessiert den Endkunden letztlich ja.

Mein Fazit

Ich war sehr skeptisch. Vor Allem, weil es ja grundsätzlich keine Raketenwissenschaft ist. Ein bestimmtes Set an Daten sicher in eine Infrastruktur schicken, auf die Andere zugreifen und daraufhin dann eine (Weiter-)Verarbeitung vornehmen können, ist rein technisch grundsätzlich nicht schwer. Spannend wird sowas bei uns in der Regel ja auch erst, wenn Behörden und offizielle Stellen mit ins Spiel kommen. Es wird sicher einen ausreichend langen Pferdeschwanz an Bürokratie und Unsinn geben, den ich als Endkunde nicht mitbekomme, ohne Zweifel. Aber was ich als Endkunde vom eRezept mitbekomme, überzeugt. Es ist simpel, schnell, bequem und ich brauche keine Papierzettelchen mehr.

Mir scheint, das Training der PTA, Apotheker, Ärzte und MFA könnte noch verbesserungsbedürftig sein. Weder die MFA beim Hausarzt, noch mein Hausarzt selbst, machten einen besonders souveränen Eindruck beim Ausstellen der ersten beiden eRezepte. Gut, nach deren Auskunft bin ich der erste Patient, der das möchte. Dennoch: letzte Woche war die gesamte Praxis “wegen einer Fortbildung IT” geschlossen, ich nehme stark an, dass es dabei um das eRezept ging. Wenn nach einer Woche immer noch keinerlei Sicherheit im Umgang mit dem System herrscht, läuft bei einer ansonsten extrem digitalaffinen Praxis etwas falsch, finde ich. Und auch die Apotheke und PTA sind mitunter noch nicht firm mit dem System, scheint mir. Dr. Stefan Noé hat sich jetzt souverän durchgewuselt, aber gefühlt wird den Fachkräften das Procedere maximal noch aus ihrer Sicht erklärt und gezeigt. Wie der Vorgang für mich als Kunde aussieht, war ihm nun auch neu.

Auf der Schulnotenskala von 1 bis 6 würde ich als Endkunde dem eRezept bisher eine 3 geben. Für den Endkunden funktioniert das, relativ simpel und bequem und ist nicht besonders schwierig zu verstehen. Wegen des o.g. “Dahinters” allerdings reicht es dann eben doch nur zum “Befriedigend” 🙂

Digitalisierung muss ja für alle Beteiligten sinnvoll und hilfreich sein. Gefühlt ist das beim eRezept bisher nur für uns Endkunden der Fall.

Dr. Stefan Noé und badidol, den Geheimnissen der Gematik und des eRezepts auf der Spur.

Mit bestem Dank an Dr. Stefan Noé und sein Team für den Praxistest und das gemeinsame Herantasten an das neue eRezept. Bilder: Dr. Stefan Noé.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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