Lassen Sie uns über Fehlerkultur sprechen.

Sie wissen schon, Fehler. Diese Mängel, diese Unzulänglichkeiten, die in der Regel immer nur die Anderen zur Schau stellen, aber nie man selbst. Diesen Eindruck bekommt man zumindest heutztage immer mehr, egal, wohin man schaut. Fehler machen nur die Anderen. Wenn, wie gestern in Sonneberg, ein AfD Kandidat die Landratswahl gewinnt, dann ist dies primär erstmal die Schuld des Wählers. Es ist geradezu undenkbar, dass dies etwas damit zu tun haben könnte, dass man eventuell selbst einen Anteil daran gehabt haben könnte, dass der Wähler einem nicht länger vertraut.

Fehlerkultur heißt auch: aus Fehlern lernen

Dabei ist es so ungemein wichtig, Fehler eingestehen zu können. Nur aus Fehlern kann man wirklich lernen. Wer seine Fehler erkennt und offen zugibt, kann aus ihnen lernen und sie künftig vermeiden. Das geht nicht, wenn man stattdessen nur mit dem Finger auf andere zeigt und die Schuld von sich weist. Das ist nicht stur und kindisch, es ist auch alles Andere als konstruktiv. Nicht nur löst es keine Probleme, es bildet den perfekten Nährboden für neue.

Und das ist bei Weitem nicht nur ein politisches Phänomen. Auch im Privaten und im Berufsleben erlebte man das immer häufiger: die Fähigkeit, Fehler zuzugeben und aus ihnen zu lernen, geht uns als Gesellschaft mehr und mehr verloren. Die Schuld muss bei Anderen liegen, man selbst könne nichts falsch gemacht haben. Das ist menschlich auch bedingt verständlich: zuzugeben, dass man etwas falsch gemacht hat, ist unangenehm. Es macht keinen Spaß, sich seine eigenen Fehler einzugestehen.

Spaß macht das nämlich erst, wenn man den Weg komplett beschreitet. Das Eingestehen der Fehler ist ja nur der erste Schritt und eigentlich wird es erst dann richtig spannend, wenn man auch den zweiten Schritt geht: aus den Fehlern lernen. Was habe ich falsch gemacht? Warum habe ich es falsch gemacht? Was kann ich künftig anders und damit potentiell besser machen? Und wenn man denselben Fehler nach dieser Arbeit an sich selbst dann künftig nicht mehr macht, DAS fühlt sich dann gut an.

Mit dem Finger auf Andere gezeigt ist schnell

In guter, alter, deutscher Tradition zeigen “die Guten” mit dem Finger schon schnell mal auf Andere. Man selbst kann es ja nicht verbockt haben, man ist doch im Recht. Und gerade bei Twitter ist man damit schnell zur Hand und deswegen befleißigen sich dieser Taktik auch Einige.

Herr Pan Tau ist einer von den Guten. Jeden Sonntag macht er ein Video, mit Zigarette in der einen Hand und Bier in der anderen, in dem er dann erzählt. Mal Privates, mal Politisches. Wenn es ums Politische geht, sind meistens alle doof, außer eben den eigenen Helden, die in der Regel eher links stehen. Oftmals spart man sich dann auch ganz gerne den Suffix “extrem“: die Rechten sind die Schlimmen. Was sehr vielen Tweets zum Thema #Sonneberg gemein ist – alles Nazis und Rechtsextreme. Deswegen sei die Wahl so ausgefallen. Dass man selbst eventuell einfach am Bürger vorbei, statt mit und für ihn regiert hat und der Bürger das eventuell gar nicht ewig ungestraft mit sich machen lässt, kommt erstmal Keinem in den Sinn.

https://twitter.com/SawsanChebli/status/1673052400712663040?s=20

Und auch Frau Chebli ist, das steht ja völlig außer Frage, eine von den Guten. Und während ich beim ersten Satz noch dachte: “Ok, da kommt Einsicht.”, ist auch der letzte Satz wieder ein perfektes Beispiel für gelebte deutsche Fehlerkultur: die Anderen warens. Es kann nichts damit zu tun haben, dass der Bürger mehrheitlich einfach nicht woke denkt und sich auch nicht woke regieren lassen will. Es kann nichts damit zu tun haben, dass der Bürger die Auswirkungen unkontrollierter Migration, fehlerhafter Gesundheitspolitik und fragwürdiger Wirtschaftspolitik erkennt und sich dagegen stellen möchte. Nein, es muss, das kann ja gar nicht anders sein, daran liegen, dass das alles Nazis sind, die eben Nazis wählen.

Nichts als Verachtung – das Klima ist vergiftet

Die Frage stellt sich nun natürlich, ob Verachtung für die Wähler, also Mitbürger, die nun mal nicht die eigene woke Ansicht teilen, wirklich zielführend ist. Das dürfte mindestens ebensowenig zielführend sein, wie es die plumpe, stumpfe Verachtung der rechtsextremen Meute, derer sich die AfD ja zum Teil nun mal wirklich bedient und die sie zum Teil ja nun mal wirklich hofiert, ist. Denn beides ist stumpf, beides ist kurzsichtig und beides ist alles Andere, als demokratisch.

Es gibt sie aber, die Lichtblicke

Und manchmal kommen diese aus unerwarteter Ecke. Von Hasnain Kazim hätte ich persönlich eine derart sachliche Ansage zu dem Thema gar nicht erwartet. “[..]und zu überlegen, was man grundlegend anders machen muss.” birgt Potential, dass hier erkannt wurde, dass man vielleicht doch selbst auch was falsch gemacht hat.

Aber wo liegt denn dann nun das Problem?

Eine starke, konservative Union hat jahrzehntelang die NPD (nun: Heimat!) aus den Parlamenten gehalten. Warum? Weil sich Konservative und demokratische Rechte dort aufgehoben und wahrgenommen fühlten. Und das hat jahrzehntelang bestens funktioniert: zwischen 1970 und 2004 konnte die NPD in keinen Landtag einziehen, sie scheiterte immer an der 5% Hürde. Erst 2004 gelang es der NPD, in den Landtag von Sachsen einzuziehen. Ein Event, das sich bislang nur ein Mal wiederholte, 2009 in Mecklenburg-Vorpommern.

Jahrzehntelang hielt eine starke, konservative CDU die NPD erfolgreich aus Landtagen, Bundestag und co. heraus. Dann kamen 16 Jahre Kohl, 7 Jahre Schröder mit einer schwachen CDU Opposition und 16 Jahre Merkel und eine AfD, die an den richtigen Punkten eklig genug ist, um ganz rechts abzusahnen und an den richtigen Punkten nicht eklig genug, um alle Konservativen und Enttäuschten weiterhin abzuschrecken. Make of that, what you will, aber die Schuld da einzig und allein bei “Alles Nazis.” zu suchen, bleibt kleingeistig und blind.

Res publica – Sache des Volkes

Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Republik. Das leitet sich vom Lateinischen ab: res publica ist eine Sache oder Angelegenheit, die publica ist – zum Volke gehörig. Das Volk, das sind aber nicht nur die Politiker, das sind eben mehrheitlich die Bürger. Die Dachdecker und Maurer, die Fensterbauer und Müllmänner, die Ärzte und Lehrer, die Anwälte und Schriftsteller, die Arbeitslosen und Studenten, die Rentner und die Supermarktkassenkraft. Das Volk, das sind mehrheitlich Menschen, für die wohlfeiles Hipstersprech, Gendergerechtigkeit und Inklusion Luxusprobleme sind. Sie selbst haben ganz andere, handfestere Sorgen. Sorgen, die Politiker offenbar weder wahr- noch ernst nehmen.

Könnte es also eventuell daran liegen, dass der Bürger sich durch überbordende political correctness, Genderwahn, unkontrollierte Migration, überbordenden Staat, chaotische Staatsausgaben und die Politik Deutscher Regierungen der letzten Jahre einfach nicht vertreten fühlt? Allein gelassen und ignoriert?

Dabei könnte es so einfach sein. Man kann natürlich den Bürger beschimpfen und ihm die Schuld geben, wenn ein Wahlergebnis nicht so ausfällt, wie man es gern gehabt hätte. Man könnte aber auch einfach Politik machen, die der Bürger dann mit “besseren” Wahlergebnissen honoriert.

Aber das wäre vermutlich zu einfach.

Keine Alternative – die Zeit muss sein

Man könnte nun, wenn man den Beitrag mit linksgrünen Augen liest, auf die Idee kommen, er sei als flammende Verteidigung der AfD zu verstehen. Man läge damit extrem falsch. Ich halte die AfD in Gänze für völlig unfähig, basierend auf den Anträgen, Gesetzesentwürfen und Texten, die ich von ihr in all den Jahren gelesen habe. Ich halte sie auch für extrem unwählerisch. Ja, sie hat leider als Ganzes kein wahrnehmbares Problem mit Faschisten und Nazis. Programme sind geduldig und im Programm der AfD stehen viele Dinge, die so verkehrt nicht wären. Leider sind Programme nicht das, was Parteien ausmacht. Und genau da wird die AfD dann eben absolut unwählbar für mich: was ihre Köpfe mitunter sagen, geht nicht in Ordnung. Da dreht sich mir als Demokraten der Magen um.

Das ändert aber eben nichts daran, dass man das Problem AfD ganz offenkundig in all den Jahren nun nicht mit Beschimpfung und Schuldzuweisungen an deren Wähler lösen konnte. Wir brauchen eine bessere Fehlerkultur. Wir müssen mit und für den Bürger regieren, statt gegen ihn.

Dazu gehört letztlich auch, dass wieder jeder auf “seinen angestammten Platz” zurückgeht. Die SPD muss wieder sozialliberale, leicht linke Politik machen. Die FDP liberale, freiheitliche. Die CDU muss konservativ werden, statt immer woker. Dann erledigt sich das Problem AfD von ganz alleine – wenn wir den Krug noch nicht zu oft zum Brunnen gebracht haben.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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