beitragsbild_adipositas

Adipositas leitet sich vom Lateinischen “adeps” ab, was Fett bedeutet. Adipositas ist dabei der Fachbegriff für das, was man landläufig als Fettsucht, Fettleibigkeit oder krankhaftes Übergewicht kennt.

Ein Mensch gilt gemeinhin als übergewichtig (adipös), wenn sein BMI (Body-Mass-Index) bei >= 30 liegt. Der Body-Mass-Index berechnet sich aus dem Gewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat und dient hierbei grob als Indikator für den Grad der Adipositaserkrankung. Der BMI berücksichtigt jedoch weder das Alter, welches ebenfalls eine Rolle spielt, noch die Verteilung von Muskelmasse, Gewebeflüssigkeit und Körperfett.

Man teilt die Adipositas in mehrere Stufen ein. Die gängige WHO Einstufung ist wie folgt:

Kategorie nach WHOBMI (kg/m²)
Untergewicht< 18,5
Normalgewicht18,5 – 24,9
Übergewicht (Präadipositas)25 – 29,9
Adipositas Grad I30 – 34,9
Adipositas Grad II35 – 39,9
Adipositas Grad III (morbid adipös)>= 40

Adipositas und ich – man kennt sich schon länger

Bevor wir einsteigen, müssen wir eines gleich direkt vorweg nehmen: anders, als die meisten Social Justice Warrior und White Knights, mit denen ich mich tagein, tagaus befassen muss und derentwegen ich dies hier überhaupt erst niederschreibe, kenne ich mich mit dem Thema bestens aus.

Ich bin als Betroffener bereits einen sehr langen Weg auf der Reise mit der und weg von der Adipositas gegangen. Ich kann mich tatsächlich faktisch an keine Zeit meines Lebens erinnern, zu der ich nicht mindestens mal “deutlich moppelig” war. Dabei ging es mir Jahrzehnte lang “gut” mit meinem Dasein als Fetti, zumindest redete ich mir das ein. 2016 machte mir mein Körper dann mit einer hypertensiven Krise inkl. Krankenhausaufhalt und der Erfordernis, diesen nun chronischen Hypertonus dauerhaft medikamentös behandeln zu müssen, klar: es geht dir mitnichten gut. Ich schrieb hier bereits ein Mal darüber. Zu diesem Zeitpunkt wog ich satte 170kg bei einer Körpergröße von 1,87 Metern. Das entspricht einem BMI von 48,6. Ich war, das kann – und muss – man so deutlich sagen, morbid adipös.

Im Verlauf der Zeit seit dieser Erfahrung 2016 nahm ich innerhalb von etwas mehr als 2 Jahren 53kg ab, bis zu einem Gewicht von 117kg. Dies entspricht einem BMI von 33,5 und ist von meinem Zielpunkt 28 so weit nicht weg. Durch die Pandemie und der damit einhergehenden Bewegungsfaulheit und dem Rückfall in alte Ernährungsmuster habe ich mittlerweile wieder zugenommen. Ende April, Anfang Mai habe ich mit zu diesem Zeitpunkt rund 146kg eine erneute Reise des Abnehmens begonnen. Gestern morgen nach der morgentlichen Runde Cardio brachte ich 129kg auf die Waage, was einem BMI von 36,9 entspricht.

Was berechtigt dich dazu, über Adipositas zu sprechen?

Anders, als die oben bereits angesprochenen SJW und White Knights, kenne ich mich mit dem Thema aus mehreren Gründen, nicht zuletzt aber eben als Betroffener, gut aus. Ich habe im Rahmen des Abiturs einen ökotrophologischen Abschluss gemacht: meine Leistungskurse waren Chemie Ernährungslehre und Deutsch. Darüber hinaus waren Physiologie und Anatomie wesentliche Bestandteile meiner Ausbildung zum MTRA. Vereinfacht gesagt: wie der Körper mit Nahrung und ihren Bestandteilen umgeht, wie er sie umsetzt und wie das mit der Energie im Körper gehandhabt wird, habe ich nicht nur ein Mal im Leben gelernt.

Als Betroffener weiß ich zudem ganz gut, wie sich Fettsein anfühlt. Und da ich bereits mehrfach jeweils mehr als 20kg, einmal sogar mehr als Doppelte (s.o.), abgenommen habe, dürfte auch klar sein, dass ich ein grundsätzliches Verständnis davon habe, wie Abnehmen geht.

Wie entsteht Adipositas?

Fette fressen einfach zu viel und bewegen sich zu wenig, das ist alles.“, so lautet häufig die Antwort auf diese Frage, wenn man Unbeteiligte fragt. Und sie ist nicht komplett falsch: grundsätzlich gilt rein physikalisch und physiologisch betrachtet hier ein sehr simpler Wirkmechanismus – wenn man mehr Kalorien zu sich nimmt, als man verbraucht, nimmt man zu. Daran ist auch bei allem Verständnis, aller Empathie und allem guten Willen nichts zu rütteln. Das ist ein simples Faktum der kalorischen Realität. Wenn mehr Energie in den Körper gesteckt wird, als er verbraucht, so speichert er diese. Das tut er durch Fetteinlagerung im Gewebe.

Es wäre aber zu einfach, zu sagen, dass fehlende Disziplin, Überzufuhr und Bewegungsmangel die einzigen Ursachen für Adipositas wären. Das wird der Sache nicht gerecht und stimmt auch nicht exklusiv, wenngleich es faktisch die häufigsten Ursachen sind. Es gibt sie aber, die oft angesprochenen “schweren Knochen”, die aus der Balance geratenen Hormonhaushalte, die cortisol-induzierte Adipositas und noch einige weitere Ursachen. Und ja, es stimmt – manche davon entziehen sich in unterschiedlichem Ausmaß dem Einfluss der Betroffenen. Manche Adipöse können wirklich nichts dafür und schlimmer noch – nichts dagegen. Dies sind aber eher die Ausnahmen. Die absolute Regel ist: in den allermeisten Fällen sind Adipöse adipös, weil sie mehr essen, als sie verbrauchen.

Die wirklich spannende Frage und zudem eine, die man unausweichlich stellen muss, wenn man der Adipositas wirklich sinnvoll, nachhaltig und vernünftig begegnen möchte, ist: “Warum verbrauchst du weniger, als du aufnimmst?“. Wer seine Adipositas in den Griff bekommen möchte, muss zwingend herausfinden, wie sie zustande kam. Adipositas ist eine Erkrankung und Erkrankungen haben immer Auslöser, Gründe und eine erfolgreiche Behandlung einer jeden Erkrankung erfordert Ursachenforschung und eine der Situation angepasste Behandlung.

Medikamente, Hormone und äußere Einflüsse

Vielleicht sollten wir die Ausnahmen und Spezialfälle zuerst betrachten. Es gibt sie nämlich durchaus, die Fälle von Adipositas, bei denen sich die Ursachen dem Einfluss der Betroffenen teilweise oder gar ganz entziehen und die nur durch Disziplin auch nicht von ihrem Übergewicht wegkommen können.

Es gibt eine Reihe von Medikamenten, Hormonen und anderen äußeren Einflüssen, die Adipositas begünstigen oder auslösen können. So führen zum Beispiel diverse, durchaus mitunter häufig eingesetzte Medikamente wie beispielsweise Amitryptilin, als Nebenwirkung sehr häufig zu einer Gewichtszunahme. Amitryptilin wird als Antidepressivum, aber auch in der Migräneprophylaxe eingesetzt. Überhaupt gibt es eine ganze Reihe von Medikamenten, die zu einer Gewichtszunahme führen können, wie z.B. diverse Neuroleptika, Kontrazeptiva, Kortikosteroide, Antidepressiva und Betablocker.

Auch bestimmte Hormontherapien oder die Behandlung von Diabetes mit Insulin können zu einer Gewichtszunahme führen.

Aber auch ohne externe Zuführung von Auslösern gibt es Gründe für Adipositas, die sich zum Teil oder völlig dem Einfluss des Betroffenen entziehen. Eine Hypothyreose zum Beispiel kann mitunter zu Verstopfung, Antriebslosigkeit, Müdigkeit und einer Verlangsamung des Stoffwechsels und somit langfristig zu Übergewicht führen. Antriebslösigkeit und Müdigkeit führen hierbei zu weniger Bewegung, den Rest erledigt die Stoffwechselproblematik.

Am Cushing-Syndrom Erkrankte haben eine Hormonhaushaltsstörung, die zu einer enormen Überversorgung mit Glucocorticoiden (Cortisol) führt. Dies wiederum führt quasi unweigerlich zu Adipositas mit für Cushing typischen Körperformänderungen.

Nicht zuletzt können auch eine Vielzahl an psychischen Störungen, psychosomatischen Erkrankungen und auch andere, äußere Einflüsse eine negative Auswirkung auf das Ess- und Bewegungsverhalten haben und somit zu Adipositas führen.

Nicht alle der o.g. äußeren Einflüsse entziehen sich jedoch völlig dem Einfluss der Betroffenen und in vielen der genannten Fälle ist ein Lifestyle-Change und ein disziplinierterer Umgang mit der Nahrungsaufnahme dennoch ein Teil der Therapie.

Schwere Knochen, Genetik

Eine sehr häufig genutzte Ausrede von Fettleibigen ist, sie hätten “schwere Knochen“. Jetzt trifft es sich ganz gut, dass Knochen als gelernter MTRA ja quasi genau meine Baustelle sind.

Es stimmt tatsächlich: nicht jedes Skelett wiegt gleich viel und hat dieselbe Dichte. Dies unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Allerdings erklärt die unterschiedliche Beschaffenheit von Knochen mitnichten das Übergewicht eines Menschen und wenn wir großzügig sein wollen, können wir maximal 3-5kg des Körpergewichts eines Übergewichtigen im Vergleich zu einem Normalgewichtigen auf “schwere Knochen” schieben.

Das Skelett eines Menschen macht einen durchschnittlichen Anteil von etwa 12% des Normalgewichts aus. Nehmen wir mal einen Mann mit einer Größe von 1,87 Metern und einem Körpergewicht von 85kg an, dies entspräche einem BMI von 24 und wäre damit im oberen Bereich des Normalgewichts. Das Skelett hat in diesem Fall einen Anteil von rund 14kg. Wären schwere Knochen der Grund für mein Übergewicht, müsste mein Skelett 44kg wiegen, um die Differenz zwischen meinem tatsächlichen aktuellen Gewicht und meinem Normalgewicht zu überbrücken. Für ein Dinosaurierskelett mag das hinkommen, für Menschen allerdings muss ich leider alle Hoffenden enttäuschen: Ihr habt keine “schweren Knochen“, die Gründe für Eure Adipositas liegen woanders.

Es gibt auch eine genetische Prädisposition zur Adipositas, bzw. zu diversesten Faktoren, die langfristig zu einer solchen führen können. Grundumsatz, Nahrungsverwertung, Fettverteilungsmuster – all dies unterliegt genetischer Prädisposition. Die gängigen Studien und wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgrund von Zwillingsstudien und Forschung gehen allerdings von maximal 3-5% aller Fälle aus, bei denen Adipositas ausschließlich auf genetische Prädisposition zurückzuführen ist. Aufgrund der beeinflussten Faktoren ist es auch nicht so, dass eine genetische Prädisposition zu einer nicht konservativ behandelbaren Adipositas führt. Dies bedeutet: auch bei einer genetischen Prädisposition sind Disziplin, Bewegung und eine bewusste Kalorienaufnahme wichtige Elemente der Behandlung.

Lipödem

Beim Lipödem handelt es sich um Störung der Fettverteilung, bei der es vornehmlich zu Fetteinlagerungen in Beinen, Hüfte und Gesäß kommt. In der Bundesrepublik sind hiervon etwa 3,8 Millionen Menschen betroffen, beinahe ausschließlich Frauen.

Lipödem kann als Folge von Adipositas auftreten, aber auch alleinstehend. Lipödem ist tatsächlich nicht heilbar, es gibt nichts, was eine Betroffene tun kann, um es loszuwerden. Diät und Sport zur Vermeidung weiterer Gewichtszunahme sind hier jedoch ebenso unterstützende Teile der Therapie wie Kompressionsstrümpfe und Physiotherapie.

Sozio-kulturelle Faktoren, Gesellschaft, Sign of the Times

Der weitaus größte Anteil der Adipositas-Erkrankten hat sich die Erkrankung größtenteils selbst zuzuschreiben. Ausgelöst oder zumindest unterstützt von sozio-kulturellen Faktoren wie einem immer steigenden Überangebot, Beimengung unnötiger Zucker, ungeregelten Essenszeiten und weiteren Faktoren essen wir immer mehr, ohne dabei aber wirklich satt zu werden.

Auch wird Essen häufig als Selbsttherapie genutzt: sei es durch Dinge wie “Frustfressen”, sei es durch “Nervennahrung” wie Schokolade, Eiscreme o.Ä. – Essen wird längst nicht mehr nur rein zur Aufnahme lebenswichtiger Nährstoffe genutzt. Essen hat eine gar metaphysische Bedeutung, gehört zum savoir vivre ebenso wie zur Zurschaustellung der eigenen Stellung innerhalb der Gesellschaft. Es ist wichtig, was man isst, wie man isst, welches Essen man sich leisten kann. Essen ist ein Statussymbol von Vielen. In manchen Kulturen gilt Übergewicht als Zeichen des Wohlstands.

Auch die Erziehung hat hier Einfluss. Wer kennt ihn nicht, den berühmten Satz “Der Teller wird leer gegessen.“. Gerne auch in Verbindung mit einer ordentlichen Portion noblen und altruistischen Schuldkomplexes: “In anderen Ländern wären sie froh drüber.“. Die Nahrungsaufnahme einzustellen, wenn man satt ist, wird Einem ja so gut wie nicht beigebracht.

Wo die Einen sich zu viel mit dem Essen beschäftigen, tun die Anderen es zu wenig. Unsere Welt wird immer schnelllebiger und hektischer. Gerade in Bürojobs, leitenden Positionen und bei Managern kommt es daher recht häufig dazu, dass einfach schnell irgendwas in sich hineingeschaufelt wird. Was halt in der Pause fix, bequem und mit wenig Aufwand ergattert werden kann. Oft sind dies undurchdachter Kantinenfraß, Junk/Fast Food oder Mikrowellengerichte. Eines zeichnet fast alle dieser Optionen aus: sie stopfen kurzfristig, machen kurz satt, liefern aber wenig “gute” Energie. Sie hinterlassen einen in kurzer Zeit schon wieder hungrig und führen dazu, insgesamt mehr Energie aufzunehmen, als man verbraucht.

Ein zunehmend passiver Lebensstil mit immer mehr Bürojobs, sitzenden Tätigkeiten und weniger Bewegung tut sein Übriges.

Quintessenz – es geht um den Energiehaushalt

Am Ende lässt sich Adipositas jedoch immer auf einen aus den Fugen geratenen Energiehaushalt herunterbrechen, egal, wodurch dieser nun konkret aus den Fugen geraten ist. Unabhängig von der konkreten Ursache entsteht Übergewicht nämlich aus exakt einem einzigen Grund – ein Überschuss an Kalorienzufuhr. Der Körper bekommt mehr Kalorien zugeführt, als er verbraucht. Wenn das passiert, speichert er den Rest als Fett, um später darauf zugreifen zu können. Warum dieser Überschuss entsteht, kann – siehe oben – vielerlei Gründe haben, aber am Ende ist es immer dieser Überschuss, der zu Übergewicht führt.

Es ist auch immer einer der Hauptschlüsselfaktoren, an denen eine Adipositas-Therapie ansetzen muss, wenn sie Erfolg haben soll. Sicher, wenn eine Hormonstörung oder ein medikamentös induziertes Stoffwechselproblem der Auslöser ist, reicht es nicht, dem Betroffenen Diät und Sport zu empfehlen. Eine bewusste Ernährung und mehr Bewegung sind jedoch Bestandteil jeder sinnvollen Adipositas-Therapie. Und wie oben bereits dargelegt, bei den allermeisten Adipositas-Erkrankten liegt eben keine der o.g. Ausnahmen zugrunde. Die meisten Fettleibigen essen einfach zu viel und bewegen sich zu wenig.

Im Rahmen einer Diskussion auf Twitter/X wurde mir heute das Beispiel Bettlägerigkeit und Hospitalisierung als ein Faktor genannt, den Betroffene zum Beispiel nicht beeinflussen könnten. Doch gerade hier ist es umso mehr eine Frage der Energiebilanz. Gewichtsregulierung funktioniert nur über eine ausgeglichene Energiebilanz. Wer hospitalisiert ist, bettlägerig und aus med. keine ausreichende Bewegung gewährleisten kann, muss die Energiezufuhr drosseln, will er das Gewicht halten und nicht zunehmen. Das machen Krankenhäuser übrigens auch. Bettlägerige Patienten bekommen nicht die Portionen, die sie bekämen, wären sie belastbar und könnten sich bewegen. Die allermeisten Menschen kommen aus einer Hospitalisierung eher mit einer Gewichtsabnahme heraus als mit einer Zunahme.

Adipositas-Therapie

Es gibt viele Ansätze, Adipositas zu therapieren. Pauschal zu sagen “Dieser ist doof.” oder “Dieser ist gut.“, ist dabei, wie so oft in der Medizin, nicht zielführend. Es kommt auch hier darauf an, was der Adipositas zugrunde liegt. Wie es dazu kam. Ein Therapieansatz, der für einen Betroffenen mit beispielsweise Cushing-Syndrom sinnvoll ist, ist nicht sinnvoll für einen Betroffenen, der einfach keinerlei Ernährungs- und Bewegungsdisziplin hat. Grundsätzlich ist ein holistischer Ansatz in der Medizin immer der beste und dazu gehört es auch, sich ein komplettes Bild der Situation zu verschaffen und die Therapie dann auf die Situation des Patienten anzupassen.

Konservative Therapie

Als konservative Therapie wird in der Adipositas-Therapie bezeichnet, dem Betroffenen dabei zur Seite zu stehen, ein besseres Verständnis von sich und seinem Ernährungsverhalten zu entwickeln und darauf basierend eine Veränderung des Lebensstils herbeizuführen, die sich positiv auf sein Körpergewicht auswirkt. Man könnte dies nun sarkastisch als hochgestochene Umschreibung von “Mach Diät und beweg dich mehr!” bezeichnen. Aber das greift tatsächlich zu kurz, wenngleich diese beiden Maßnahmen durchaus die Grundpfeiler der konservativen Therapie sind.

Die konservative Therapie umfasst jedoch so viel mehr. Mit Hilfe von Endokrinologen und Ernährungsmedizinern wird geprüft, welche inneren Faktoren eventuell zur Adipositas geführt haben und ob hier medizinisch regulierend einzuschreiten ist. Ernährungsberater helfen dabei, bewusster zu essen. Sie erklären die Zusammensetzung der Nahrung, um dem Betroffenen ein wichtiges Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem er seinen Lebensstil anpassen kann. Ernährungsberatung hilft dabei, ausgewogener, gesünder und effizienter zu essen.

Auch kann es nicht schaden, für “mehr Bewegung” einen Physiotherapeuten mit an Bord zu holen, denn hier kann man viel falsch machen und es übertreiben. Gerade als Adipöser sollte man den Sport langsam angehen: der Bewegungsapparat ist so schon unter erheblicher Belastung. Zu Beginn empfiehlt es sich oft, auf Cardio und leichtes Muskeltraining zur muskulo-skelettalen Unterstützung zu setzen und dann bei weiterer Gewichtsabnahme graduell zu intensivieren.

Psychotherapie

Je nachdem, worin die Asipositas begründet ist, kann eine begleitende Psychotherapie nicht schaden, oder gar indiziert sein. Gerade, wenn in der Kindheit falsche Impulse gesetzt wurden und beim Aufwachsen nie korrigiert wurden, kann dies helfen. Auch kann Psychotherapie dabei helfen, die eigene Disziplin zu stärken.

Auch gibt es einige Essstörungen, die zu Über- oder auch Untergewicht führen können. Sofern die Adipositas hierin begründet ist, ist eine psychotherapeutische Begleitung in der Adipositas-Therapie logischerweise eindeutig indiziert.

Die Abnehmdroge “Wegovy” (Semaglutid)

Semaglutid wird in der Diabetestherapie verwendet. Diabetes und Adipositas gehen oft Hand in Hand, abhängig vom Diabetes Typus. In Verbindung mit Diät und sportlicher Betätigung hat Semaglutid eine positive Wirkung auf Diabeteserkrankte gezeigt. Semaglutid verbessert die Insulin-Sekretion und beeinflusst damit die glykämische Kontrolle positiv. Zudem senkt es Appetit und Kalorienaufnahme. In Studien zeigte sich Semaglutid in Verbindung mit Diät und sportlicher Betätigung als sehr wirkungsvoll. Bluttfettwerte, Blutdruck und Blutzuckerwerte verbesserten sich bei den Patienten erheblich. Mitunter auch durch die Gewichtsreduktion.

Auch, wenn Semaglutid im Volksmund daher als Wunderdroge gehandelt wird: nichts an dessen Wirkung ist wundersam. Und ohne die Disziplin, einen nachhaltigen Lebenstilwechsel vorzunehmen (Diät und Sport), bleibt die Gewichtsreduktion durch Semaglutid nicht von Dauer. Beim Absetzen von Semaglutid ohne Beibehaltung von Ernährungsumstellung und Sport zeigten sich erhebliche Gewichtszunahmen bei den Patienten.

Semaglutid hat zudem auch mitunter erhebliche Nebenwirkungen und hat in Studien bei Ratten und Mäusen Schilddrüsentumore hervorgerufen. Dennoch, je nach Fall und Ausprägung kann Semaglutid eine valide, wichtige Hilfe in der Therapie der Adipositas sein.

Bariatrische Chirurgie

Die Adipositaschirurgie ist, ähnlich wie Semaglutid, kein Wundermittel. Es gibt keine Wundermittel in der Adipositaschirurgie. Ähnlich wie bei einem Alkohlkranken, muss der Adipositaskranke sein Leben lang an sich arbeiten und Disziplin zeigen. Man kann Adipositas nicht wirklich heilen und es bleibt ein täglicher Kampf mit sich selbst und seinen Umgebungsfaktoren. Bei jeder der gängigen chirurgischen Interventionen kommt es letztlich auch immer auf die Mitarbeit des Patienten an. Ändert dieser nicht seinen Lebensstil, setzt auf Sport und bewusstere Ernährung, bringt keine der chirurgischen Maßnahmen langfristig etwas.

Magenballon

Über ein Endoskop wird in einer Magenspiegelung (Gastroskopie) ein Ballon in den Magen geführt, korrekt plaziert und dann mit etwa 600ml Kochsalzlösung gefüllt. Der Ballon verbleibt dann maximal 6 Monate im Magen des Patienten und muss dann durch eine erneute Spiegelung entfernt werden. In der Regel wird dieser lediglich als Vorbereitung für eine bariatrische Operation genutzt, um die gewichtsbedingen Komplikationsrisiken bei morbid adipösen Patienten vorab zu senken.

Durch den gefüllten Ballon wird eine frühere Sättigung erreicht. Je nach Ausgangsgewicht kann der Betroffene durch den Ballon bis zu 50kg abnehmen. Nach Entfernung des Ballons kommt es jedoch häufig wieder zu einer Gewichtszunahme bis auf das Ausgangsgewicht, wenn keine weitere Therapie stattfindet.

Gastric Banding (Magenband)

Aufgrund der doch sehr hohen Komplikationsrate bei diesem Eingriff wird dieser heutzutage kaum noch durchgeführt und ist nur in Ausnahmefällen indiziert. In einer laparoskopischen Operation wird ein Band um den Mageneingang gelegt und bildet einen künstlichen Vormagen. Hierdurch wird eine frühere Sättigung erzielt.

Sleevegastrektomie (Schlauchmagen)

Bei der Sleevegastrektomie werden rund 2/3 des Magens operativ entfernt. Was übrig bleibt, sieht aus wie ein Schlauch, daher der Name Schlauchmagen. Das Volumen des verbleibenden Magens beträgt danach etwa 100ml, wodurch eine frühe Sättigung erzielt wird. Dieser Eingriff ist einer der zwei gängigsten Eingriffe in der Adipositaschirurgie. Er ist insbesondere bei extrem hohen BMI Werten weit über 50 indiziert. Nebenwirkungen wie Gallenreflux oder Sodbrennen sind möglich, aber gut konservativ behandelbar.

Roux-Y-Gastric Bypass (Magenbypass nach Roux-Y)

Dies ist die gängigste bariatrische Operation. Sie hat auch gleichzeitig die geringsten Nebenwirkungen.

Für den Bypass wird ein kleiner Vormagen gebildet, der i.d.R. um die 50 bis 80ml fasst. An diesen wird eine Dünndarmschlinge angeschlossen, die sich erst etwa 150cm später wieder mit dem Rest des Dünndarms vereinigt. Bei dieser Variante wird ein Großteil der Verdauung von Fetten und Proteinen nachgeschaltet. Durch diese “Umleitung” der Verdauung findet eine Veränderung hormoneller Regelkreisläufe statt. Dies hat einen positiven Effekt auf metabolische Erkrankungen.

Welche Therapie ist für mich die richtige?

Diese Frage kann ich selbstverständlich nicht pauschal beantworten. Das ist eine Frage, die jeder Betroffene gemeinsam mit seinem Hausarzt bzw. behandelndem Arzt beantworten muss. Ich kann aber natürlich aus meiner eigenen Erfahrung berichten und auch aufgrund dessen, was ich mal gelernt habe, etwas über die unterschiedlichen Therapien sagen.

Die schlechte Nachricht vorneweg: keine Therapie kommt ohne Disziplin aus. Das A und O der Adipositas-Therapie ist der Lifestyle-Change. Bewusste, gesunde Ernährung und Bewegung sind Teil jeder Adipositas-Therapie. Insbesondere das Kaloriendefizit ist für das Abnehmen unerlässlich. Selbst die “Wunderheilmittel” und Operationen funktionieren letztlich nur deswegen: sie führen ein Kaloriendefizit herbei.

Wer Schwierigkeiten hat, ohne externe Hilfe ein Kaloriendefizit zu erreichen, sollte sich hierfür professionelle Hilfe suchen. Zumindest mal eine Ernährungsberatung. Viele Krankenkassen bieten eine solche an und machen das an sich auch ganz gut.

Bei wirklich extrem hohem Übergewicht (ab Adipositas II) kann es auch sinnvoll sein, mal in einem Adipositaszentrum vorstellig zu werden. Hier kann in Zusammenarbeit mit Fachleuten ausgelotet werden, welche Therapieansätze für einen selbst sinnvoll sein mögen. Eine Beratung und sich über bariatrische Chirurgie zu informieren heißt noch lange nicht, dass man diese auch durchziehen muss. Es ist aber gut und sinnvoll, sich über alle möglichen Optionen zu informieren.

Eine pauschale, allgemeine Empfehlung kann ich daher nicht abgeben. Ich kann aber gerne auf konkrete Fragen von Betroffenen antworten und dann fallbezogen meine persönliche Einschätzung geben. Nutzen Sie hierfür gerne die Kommentarspalte oder das Kontaktformular.

Ein gut gemeinter Rat an alle Wohlmeinenden zum Abschluß

Wie bei der Alkoholsucht, steht am Anfang der erfolgreichen Therapie übrigens die Einsicht. Der Adipöse muss einsehen, dass er ein Problem hat und er muss es lösen wollen. Wenn das nicht passt, hilft alles nichts. Die Therapie beginnt mit einem selbst. Dabei hilft es wenig bis nicht, wenn wohlmeinende Menschen uns von body positivity und “Liebe dich selbst wie du bist.” erzählen. Im Gegenteil, Menschen, die ohnehin bereits ein Problem mit Disziplin und guten Entscheidungen haben, zu sagen, sie sollen sich so lieben, wie sie sind, macht die Sache nur noch schlimmer. Das mag gut gemeint sein, ist aber alles Andere als gut gemacht. Es steht einer erfolgreichen Therapie und einem gesünderen Leben der Betroffenen sogar konkret konträr gegenüber.

Bestenfalls landet der Betroffene bei “Ok, ist doof, aber ich bin ja trotzdem toll.” und arbeitet weniger hart an sich, als er könnte. Schlimmstenfalls jedoch schnappt die “Ach, siehste, ich kann ja nichts dafür.“-Falle zu und er hört komplett auf, an sich zu arbeiten. Sich selbst zu lieben, wie man ist, ist nicht immer ein guter Rat.

Und es ist für uns Adipöse oft genug ohnehin bereits schwierig genug, am Ball zu bleiben. Adipositas ist ein täglicher Kampf gegen sich selbst, den inneren Schweinehund und für einige Wenige auch äußere Einflüsse, für die sie nichts können. Wenn es etwas gibt, das wir dann nicht noch obendrauf brauchen, sind es wohlmeinende SJW und White Knights, die uns erzählen, wir sollen uns selbst lieben, wie wir sind.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

Ein Gedanke zu „Adipositas – Mythen und Realitäten“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert