Wäre das hier Facebook, stünde beim Beziehungsstatus der Piratenpartei und der Digitalkompetenz “Es ist kompliziert.”.

Im Zeitalter von DeepAI, ChatGPT und co. wird Medienkompetenz und Digitalkompetenz immer wichtiger. Binnen Minuten ist es mit nur sehr wenig Aufwand heutzutage möglich, richtig gute, täuschend echte Fakebilder und -texte zu erstellen. Umso wichtiger ist es, genau zu prüfen, was man teilt und verbreitet. Bei der Piratenpartei, einst bekannt als digitalaffine Partei von Nerds und Technikfreaks, ging man eigentlich davon aus, dass sie wissen, wie es geht. Ein Trugschluß, wie sich unlängst – ausgerechnet am 1. April – herausstellte.

Screenshot (gesichert von PoLILYtik) des mittlerweile gelöschten Tweets der Piratenpartei, die auf ein Fake hereingefallen waren.

April, April?

Ausgerechnet am 1. April, dem einen Tag des Jahres, an dem nun wirklich jeder erstmal nichts ungeprüft glaubt und von einem Aprilscherz ausgeht, setzte die Piratenpartei den oben zu sehenden Tweet ab.

Ausgerechnet am 1. April, dem einen Tag des Jahres, an dem nun wirklich jeder erstmal nichts ungeprüft glaubt und von einem Aprilscherz ausgeht, setzte die Piratenpartei den oben zu sehenden Tweet ab. Die Piratin PoLILYtik sicherte den Tweet und das ist gut so, denn er ist symptomatisch für das, was mit der Piratenpartei – nicht erst seit gestern – falsch läuft. Aus eigener Erfahrung zu meiner Zeit in der Partei weiß ich: Professionalität ist nicht erwünscht. Wichtig ist, dass du “politisch auf Linie” bist. In der Piratenpartei bedeutet dies seit geraumer Zeit: du bist möglichst weit links und eiferst möglichst vielen, möglichst grünen Illusionen nach. Passt du in dieses Schema nicht hinein, kannst du noch so qualifiziert sein. Die Clique wird dafür sorgen, dass du keinen Fuß auf den Boden bekommst. Und die Clique, das ist die Mehrheit der Partei, auch, wenn sich vereinzelt noch stramm hoffende Liberalpiraten da etwas Anderes einreden.

Der Kurs der Piratenpartei Deutschland ist klar: sie wollen linker sein, als die Linken. Aber auch grüner als die Grünen. Das Problem daran, von ideologischen Verblendungen und unsinnigen politischen Zielen einmal abgesehen, ist: wenn der Bürger links und grün will, wählt er die Originale. Diese Punkte sind bereits besetzt und zwar völlig ausreichend. Was noch erschwerend hinzu kommt: die Originale können das auch viel besser.

Digitalkompetenz war doch mal genau deren Ding?

Gewählt wurde die Piratenpartei, als sie noch glaubhaft und aktiv Kernthemen vertreten haben. Als sie noch als die Fachleute in punkto Datenschutz, Datensicherheit, Privacy und Digitales gesehen wurden und da auch stetig guten und zuverlässigen Content geliefert haben. Diese Zeiten sind vorbei und das schon eine ganze Weile. Viele Piraten, selbst jene in strategischen Positionen der “Führung“, wissen häufig nicht, wovon sie reden. Das Schlimme ist: man merkt es ihnen an.

Das Traurige ist: eine Partei, die glaubhaft und kompetent digitale Themen voranbringt, für Datenschutz, Bürgerrechte und Freiheit einsteht und Deutschland aus dem #Neuland ins Hier und Jetzt befördern möchte, wäre so unglaublich dringend nötig. Das Thema ist heißer als je zuvor, denn auch der Russo-Ukrainische Invasionskrieg ist ein digitales Thema: Kriege werden heute vermehrt auch mit iPads, Drohnen, und im “Cyberspace” geführt. Längst ist nicht mehr nur entscheidend, wer die meisten und größeren Kanonen hat. Die Meinung der Bürger, der eigenen wie der des Feindes, sind eine wichtige Waffe und die sozialen Medien sind die Schlachtfelder dieses Teil des Krieges. Umso wichtiger sind Resilienz, Medien- und Digitalkompetenz: das Erkennen von Fake News, die Recherche und genaue Prüfung von Nachrichten und vor Allem auch, der Verzicht des Teilens von Bildern und Nachrichten, deren Wahrheitsgehalt man nicht eindeutig bestimmen kann sind gefragte, wichtige Skills. Heute mehr denn je.

Eine Hoffnung stiftende, wenn auch vergleichsweise winzig kleine, Bastion der Vernunft hält hierfür wacker weiterhin die Fahne in der Piratenpartei hoch: das Ressort Außenpolitik. Mit regelmäßigen Spaces auf Twitter zu aktuellen, wichtigen sicherheitspolitischen Themen und erkennbarer Kompetenz stellen sie einen traurigen Kontrast zum Rest der Partei dar. Gerade zur so wichtigen Resilienz und Medienkompetenz finden sich hier wahre, vernünftige Worte und Wissen.

Digitalkompetenz – ein kleiner Guide

Das Bild, auf das die Piratenpartei hier hereingefallen war, ist ein sehr klarer Fake.

Als Mensch, der beruflich seit sehr langer Zeit im Netz unterwegs ist und dessen Anfänge im Internet bis hin zu Chatrooms und Newsgroups zurückverfolgbar sind, ist es mein täglich Brot, Informationen im Netz zu suchen und zu verarbeiten. Und eigentlich ist das auch gar nicht schwer. Diese 3 Tipps können dabei helfen, nicht denselben Fehler zu machen, wie die Piratenpartei:

Prüfe, prüfe, prüfe und dann prüfe nochmal!

Man sollte grundsätzlich nichts teilen und weiter verbreiten, das man nicht selbst bei mehreren Quellen überprüft hat. Gerade, wenn es um Dinge wie Folter, Mord, Straftaten, etc. geht, aber auch grundsätzlich: einfach unbesehen Dinge weitersagen ist noch nie eine gute Idee gewesen. Es ist auch nicht besonders schwierig, einen Sachverhalt mittels einer Suchmaschine erst einmal zu überprüfen. Bei mehreren Quellen.

Quellen sind gut, mitdenken ist besser!

Wenn man für einen Sachverhalt eine seriöse Quelle gefunden hat, ist das schon einmal gut. Gerade heutzutage allerdings, in einer Zeit, in der selbst Nachrichtenagenturen mitunter blind voneinander abschreiben, weil schnelle und viele Klicks nun mal Geld bringen, ist Vorsicht angeraten. Achtet auf die Feinheiten: gibt es mehr als eine Quelle, die das berichtet? Decken sich die Berichte “zu sehr“, als hätten die Agenturen nur wahllose voneinander abgeschrieben? Ist das Gemeldete plausibel? Wenn der Hintertupflinger Sonntagsbote dasselbe berichtet wie dpa, hat er vielleicht nur die Meldung der dpa kopiert. Es ist daher auch sinnvoll, genau darauf zu achten, auf welche Initialmeldungen sich weitergehende Meldungen beziehen und berufen.

Teile es im Zweifel nicht!

Man muss gar nicht alles teilen und weiter verbreiten, was einem im Netz über den Weg läuft. Zurückhaltung ist eine hohe Kunst. Wenn sich eine Meldung nicht belegen und verifizieren lässt, kann man sie auch einfach mal nicht teilen. Wenn etwas dran ist, werden über kurz oder lang weitere Meldungen dazu auftauchen und man wird sich mit der Prüfung leichter tun. Das ist immerhin kein Wettrennen. Man verliert nicht, wenn man – anders als viele Andere – auf plausible, glaubhafte Berichte und Meldungen wartet, bevor man die Meldung teilt. Im Gegenteil.

Die Piratenpartei täte gut daran, diese Basics, die jeder Social Media Manager an Tag 1 seines Jobs lernt, zu verinnerlichen. Es wäre natürlich hilfreich, wenn man vitale Positionen wie eben das Social Media Team im Besonderen und die Presse im Allgemeinen mit Professionellen besetzen würde, statt zu schauen, ob die Nase ideologisch passt.

Aber das wollte die Partei ja vor 3 Jahren schon nicht hören. Sich derart plump auf Ehrenamt und “Menschen machen nun mal Fehler” herausreden zu wollen, ist in jedem Fall bezeichnend für eine Partei, die sich einst Digitalkompetenz auf die Fahnen schrieb und auch heute noch denkt, sie sei da firm.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

Ein Gedanke zu „Piratenpartei und Digitalkompetenz“

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