sport

Ich bin ja nun eher nicht so der sportliche Typ, im Allgemeinen und im Großen und Ganzen. Vor Allem im Ganzen. Nie gewesen. Sieht man mir auch an. Bis vor Kurzem hatte ich einen BMI von 45,7. Man kann mit Fug und Recht sagen: ich bin fett. Nein wirklich, das ist schon ok, sagen Sies ruhig, Sie denkens ja sowieso und es ist ja nicht falsch 🙂

See, here’s the thing, wie die US Amis so schön sagen…

Viele Dicken sagen ja, sie fühlten sich nicht unwohl. Ich war einer davon und ich meinte das tatsächlich wirklich ernst und es traf auch zu. Ich selbst fühlte mich mit mir selbst jetzt nicht wirklich unwohl. Tue ich übrigens immer noch nicht. Sehen Sie, das Ding mit der Adipositas, selbst, wenn sie so stark ausgeprägt ist, wie bei mir, wenn mans hat, fühlt sich das nicht unbedingt schlecht an. Ich bin nicht dumm. Mir ist schon immer bewusst gewesen, dass das mit der Fettleibigkeit echt nicht gut ist. Das Dumme an Menschen ist: sie tun ganz gern mal Dinge, von denen sie genau wissen, dass sies nicht sollten 🙂 Viele von uns Dicken sind ja nicht dick, weil sie aufgrund tragischer Verkettungen unglücklicher Umstände vom Universum benachteiligt wurden und deswegen leider leider nicht anders können. Machen wir uns nichts vor: ich aß schon immer gern und wenn was echt lecker war, gern auch mal viel zu viel auf einmal. Das allein, so ulkig es auch klingt, ist ja nichtmal das Schlimme. Wenn jetzt noch allerdings hinzu kommt, dass ich Anstrengung schon immer blöd fand und es in meinem Naturell liegt, diese zu vermeiden (was, wie ich finde, eine unglaublich tolle Umschreibung für “ich bin faul wie ein Faultier!” ist!), dann kommen wir langsam aber sicher in eine etwas ungünstige Situation, denn letztlich ist es gar nicht so schlimm, zu viel zu essen, wenn man auch dafür sorgt, dass dieses Überangebot an Ressourcen auch wieder abgebaut wird. Genau da war nun leider schon immer mein Problem: Sport fand ich noch nie spannend und auch sonst war körperliche Anstrengung jetzt eher was für die Anderen.

Blöderweise hat mein Körper das auch 33-34 Jahre lang echt gut mitgemacht. Blutdruck: immer top gewesen. Blutzucker: top. Irgendwelche Beschwerden durch die Fettleibigkeit? Naja, bin halt langsamer als fitte Leute, aber da ich körperliche Anstrengung ja eh nicht mag, fühlte sich das jetzt nie wirklich wie ein Verlust an. Jetzt sind Körper ja ne ganz lustige Sache…sie halten eine ganze Zeit lang eine ganze Menge aus, aber letztlich sind wir Menschen verdammt fragile Bauten, im Vergleich zur restlichen Tierwelt. Ich kann Ihnen sagen: so ein Körper wehrt sich irgendwann. Fettleber, Fettherz, irgendwann hat er keinen Bock mehr und dann wird aus “was denn, mir gehts gut, also nerv nicht, scheiß auf Sport und gesunde Ernährung” ein Besuch im Krankenhaus. Aber immerhin mit schicker, blauer Beleuchtung!

Sie glauben gar nicht, wie fragil wir Menschen letztlich sind. Dinge in der Theorie zu wissen, ist, lassen Sie sich das mal sagen, am Ende einen Dreck wert. Erst, wenn man den Mann in der schwarzen Kutte mit dem Gartengerät schon von Weitem winken sieht, setzt Erkenntnis ein. Komisch, nicht? Man kann jahrzehntelang etwas besser wissen und es dennoch schlicht entgegengesetzt machen. Das ist ja der Witz an der ganzen Sache, ich bin gelernter Medizinisch Technischer Assistent, habe ein ernährungswissenschaftliches Gymnasium mit Leistungskurs Chemie-Ernährungslehre besucht und verstehe insgesamt sehr gut, wie das mit der Verdauung und der Physiologie etc. funktioniert. Es war mir nur schlicht egal, denn Chips, Schokolade, Gummibärchen, Steak und all der andere leckere Kram waren einfach viel zu lecker und wer denkt schon an später? Eine Erkenntnis, die ziemlich wichtig ist und bei mir leider nur sehr spät eingesetzt hat: alles hat Konsequenzen, egal, wann sie eintreten. Ich musste 35 werden, um das zu begreifen. Soviel zu “hochintelligent”. Hochintelligent my ass, eat this, stupid IQ Test 🙂 Haha…eat this! Eat!!!! 🙂

Steak ist übrigens immer noch lecker, keine Sorge, ich gehöre nicht zu denjenigen, die es hinbekommen, von heute auf morgen mit Allem zu brechen. Dankenswerterweise muss man das auch gar nicht, was einem letztlich doch sehr undiszipliniertem Faullappen wie mir das Ganze doch ein wenig vereinfacht.

Der Trick, der mir geholfen hat (und den ich mehr oder minder konstant durchziehen kann, auch als disziplinloser Faullappen), ist so alt und simpel, das er aus Hipstersicht völlig unfancy ist: FDH. Richtig, friss die Hälfte, it works, bitches. Es mag weitaus weniger fancy sein als Atkins Diät, Rohkost, LowCarb und wie sie noch alle heißen, aber es ist simpel, man muss kein Genie sein, um die Funktionsweise zu begreifen und es kann im Grunde wirklich jeder umsetzen. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil dieser Methode ist, dass man letztlich auf nicht verzichten muss, außer eben der Menge. Man kann dennoch weiterhin alles in sich hineinstopfen, die Gummibärchen, die Schokolade, Kuchen, Chips, was auch immer das Schlemmerherz begehrt. Aber statt wie früher die ganze Tüte Chips auf einen Schlag – ja was, dachten Sie etwa, soviel Fett kann man sich mit normalen Portionen anfressen? – gibt es heute eben nur noch ein Viertel der Tüte. Jaja, ist jetzt nicht die Hälfte, ich weiß 🙂 Statt der ganzen Tafel Schokolade tuns auch mal nur ein paar Stücke und die halbe Packung Nudeln auf einen Schlag ist vielleicht doch ein wenig zu viel des Guten. Das Gute an FDH ist, ich muss nicht auf die Dinge verzichten, die mir schmecken, was für solch disziplinlose Hammel wie mich in der Regel genau der Stolperstein ist, an dem alle Diäten dann üblicherweise scheitern, sondern darf einfach nicht mehr genausoviel davon verschlingen wie zuvor. Sicher, auch das erfordert Disziplin, aber der Tradeoff kommt einem weitaus weniger “unfair” vor, denn das leckere Zeug wird nicht verteufelt und komplett gestrichen, sondern im Gegenteil bewusster genossen, weil man nun weniger davon zu sich nimmt. Letztlich ist das sogar eine Win-Win Situation. Zumindest mittlerweile 🙂

Ein wenig weiter als bloßes FDH ging die Umstellung dann allerdings doch. Ich nehme mittlerweile weniger Kohlenhydrate zu mir und wenn, dann meist langkettigere. Ich esse weniger Kekse, Kuchen, Schokolade, Süßes als früher. Nicht, weil mir das nicht mehr schmeckt, im Gegenteil. Ich mag das Zeug immer noch. Aber ich habe so langsam aber sicher gelernt, es wirklich zu genießen. Was ich früher gemacht hab, war, zu stopfen, mit Genuß hatte das – jetzt so im Rückblick – nicht viel zu tun. Wo ich früher die ganze Tüte Gummibärchen auf einmal vernichten musste und am Liebsten noch 2 weitere hinterhergeschoben hätte, esse ich die Dinger heute viel bewusster, nehme Geschmack und Textur wahr und genieße den Süßkram intensiver, obwohl ich deutlich weniger davon dafür benötige. Und das funktioniert tatsächlich mit all dem “bösen” Zeug. Es hat gedauert, das stimmt. Über ein Jahr, ums genau zu sagen. Mit einigen Rückschlägen. Aber mittlerweile funktionierts. Ohne Heißhungerattacken und ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen. Ich kann mittlerweile Menschen beim Essen eines Stück Kuchens zuschauen, ohne unbedingt auch eines zu brauchen – ja, richtig gelesen, regelrecht zu brauchen, denn genau das wars früher, eine Sucht. Ich kann mittlerweile damit klarkommen, wenn mein Teller leer ist, ich muss ihn nicht so lange nachfüllen, bis mein Magen buchstäblich um Hilfe schreit und ich wirklich rein körperlich schon “nicht mehr kann”. Ich bekomme langsam aber sicher so etwas Ähnliches wie ein Sättigungsgefühl und kann tatsächlich frühzeitig merken, wann ich genug habe und muss nicht mehr so lange nachschieben, bis irgendwann der Magen wehtut. Das war früher….anders.

Das alleine hilft aber nicht. Wer abnehmen will, muss Fett verbrennen. Das ist eine sehr simple, an sich recht einfach zu begreifende Tatsache. Ein Faktum, an dem man nicht vorbeikommt. Man kann, wenn man Glück hat, völlig ohne Sport, einzig und allein aufgrund verringerter Nahrungszufuhr, abnehmen. Wenn ich lange genug nur sehr wenig Energie von außen zuführe, wird irgendwann jeder Körper anfangen, Reserven abzubauen. So zumindest die Theorie. Ich habe festgestellt, dass sich Theorie und Praxis an der Stelle bei mir sehr stark voneinander unterscheiden. Obwohl ich meinem Körper nun schon seit einem Jahr – mit wenigen Rückfällen/Ausnahmen – letztlich mehr oder minder relativ konstant deutlich weniger Nahrung zuführe, als noch vor meinem gewaltsamen Aufeinandertreffen mit meiner persönlichen Körperleistungsgrenze, ist eines deutlich geworden: abnehmen will mein höchstpersönliches Ökosystem scheinbar nur, wenn beides zusammenspielt – weniger Nahrungsaufnahme und Sport. Gut, Sport ist jetzt viel gesagt. Ich spaziere. Ich spaziere zwar schneller, als die meisten anderen Menschen, so dass ich es mit Fug und Recht auf Hipsterneudeutsch “Walking” nennen darf, aber letztlich würde ich nicht so vermessen sein wollen und es Sport nennen. Ich hab das vor einem Jahr schonmal angefangen, da hat aber nach einem Monat der innere Schweinehund gewonnen, der so Sachen sagte wie “Warn Scheißtag. Du willst jetzt echt nicht noch ins Pisswetter raus! Machste morgen.”. Blöderweise hat das Arschloch das irgendwann jeden Tag gesagt und wie ich eingangs schon erwähnte…ich habe letztlich ganz schön wenig Disziplin bei sowas, was dazu führte, dass ich von Ende März letzten Jahres bis Anfang März diesen Jahres genau gar nicht mehr gewalked bin.

Ich glaube, ich und der Schweinehund haben nun einen Weg gefunden, wie wir friedlich koexistieren können. Letztlich ist es doch so…wenn ich nichts tue, erhöhe ich das Risiko eines frühen Todes ungemein, insbesondere, wo gerade Bluthochdruck, Schlaganfälle und Herzinfarkte in der Familie liegen. Je mehr ich tue, je mehr ich abnehme und je mehr ich mich einem Normalgewicht – verstehen Sie mich nicht falsch, das ist jetzt Zukunftsmusik 🙂 – annähere, desto mehr verringere ich dieses Risiko. Was das für den inneren Schweinehund bringt? Ganz einfach. Wenn ich sterbe, stirbt der auch. Das hab ich ihm dann mal gesagt. Fand er blöd. Seither grummelt er nur noch deutlich hörbar vor sich hin, wenns zum Walken geht, hält aber ansonsten geschmeidig die Klappe. Und so mag ich ihn ja tatsächlich.

Und ich glaube auch, dass ich mittlerweile endlich die Motivation, die ich so lange gesucht habe, gefunden habe, bzw. das, was mich langfristig motivieren wird, diesmal am Ball zu bleiben. Mittlerweile tracke ich tatsächlich meinen Werdegang. So blöd es klingt…aber das hilft. Wieso? Lassen wir Zahlen sprechen:

Ich habe am 01.03.2016 wieder begonnen, zu walken. Seit nun also walken und bessere Ernährung wieder gleichzeitig stattfinden, nehme ich tatsächlich wieder ab. Ich erwähnte eingangs einen BMI von 45,7, dies war der Stand 01.03.2016. Mein BMI, Stand heute, 10.03.2016 21:35 Uhr ist 44,9. Ich habe vom 01.03.2016 bis heute 5,3kg abgenommen. Das sind 5,3kg in 9 Tagen mit effektiv nur einer einzigen Änderung in meinem Tagesablauf: abends zwischen 30 und 45 Minuten Walken (denn wie eingangs erwähnt, die Ernährung ist schon seit einem Jahr umgestellt). Rein rechnerisch, wenn wir von 5,3kg in 9 Tagen ausgehen und den guten alten Onkel Dreisatz bemühen, wäre ich dann in 84,9 Tagen in der Nähe meines Normalgewichts (noch drüber, aber deutlich näher dran). Realistischer gesehen ist es natürlich utopisch, zu glauben, dass das so eintreffen wird aber wenn ichs durchziehe und weiter dran arbeite, sollte es schaffbar sein, in sagen wir 180 Tagen dort zu sein. Wir sprechen dann von einem BMI von rund 30, statt 44,9, was dann nicht mehr starker Adipositas entspräche, sondern “nur noch” Übergewicht.

Und wenn das Achievement, in 180 Tagen von dem runtergekommen zu sein, was ich mir in 10950 Tagen angefressen habe, mal kein Ziel und keine Motivation ist, dann weiß ichs auch nicht mehr 🙂

Machbar ist das. Das haben schon ganz andere als ich geschaft und die reine Mathematik sagt, dass ich das locker schaffen kann. Und wer bin ich, dass ich mich mit der Mathematik stritte? 🙂

 

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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