Juni 2020. Die Welt beginnt langsam, sich von einer Pandemie zu erholen, die alleine in Deutschland über 8000 Tote gefordert hat und an der weltweit bis dato über 360.000 Menschen starben. Mit Ausnahme der USA, wo eine verrückt gewordene Orange mit blondierten Haaren unerklärlicherweise nach wie vor das Steuer in der Hand hat, verzeichnen die meisten Länder einen Rückgang der Infektionen und mancherorts denkt man gar wieder darüber nach, zur Normalität – was auch immer eine Normalität nach Corona sein könnte – zurückzukehren.

Zwischendurch war es kurz holprig. Einige Menschen glaubten nicht an die Pandemie und hielten das alles für eine große Weltverschwörung der Regierungen, weigerten sich, den Maßnahmen zu folgen, etc. Genau diesen Menschen haben wir alle geduldig und beständig erklärt, weshalb die Maßnahmen notwendig sind. Ihnen wurden Zahlen genannt, Statistiken gezeigt und am Ende, so scheint es bislang, sind wir auf einem guten Kurs angelangt, der die Curve tatsächlich hinreichend geflattened hat.

Aus Sicherheitsgründen bleiben allerdings weiterhin Konzerte und Großveranstaltungen, sowie Bundesliga und co. verboten und daran hält man auch fest. Das ist auch gut so. Das ist richtig, notwendig und meines Erachtens unabdingbar. Wir können nicht, kaum, dass es so aussieht, als könnten wir die Pandemie erfolgreich überstanden haben, direkt so tun, als wäre nichts gewesen. Das könnte fatale Folgen haben.

Solche Maßnahmen sind allerdings nur schwer zu vermitteln, wenn gleichzeitig Demonstrationen wie heute in Berlin, Hannover, München, Hamburg, Stuttgart und anderen größeren Städten Deutschlands genehmigt werden.

Und es ist natürlich auch schwer, dagegen zu argumentieren; denn die Demonstrationen haben einen gewichtigen, schwerwiegenden Grund: den Mord an einem Afroamerikaner durch die Polizei von Minneapolis. In den USA, das kann man nicht leugnen, ist institutioneller Rassismus längst nicht überwunden. Ein Schwarzer in den USA läuft eher Gefahr, aus einer Begegnung mit der Polizei nicht unbeschadet herauszukommen, als ein Weißer. Und dieser Rassismus ist nichts Neues; die USA haben ihn nie überwunden und selbst in Kinofilmen und TV Serien wird er uns streckenweise als völlig normal verkauft: wenn Cops in Krimiserien an einer Straßenecke vorbei fahren und dort 5-8 Weiße herumstehen, fahren sie weiter, als sei nichts gewesen. Bei Schwarzen rufen sie Verstärkung und “überprüfen die Situation”. Wir sehen das in Film und Fernsehen und denken uns nichts dabei. Wir sind an institutionellen Rassismus gewöhnt und bemerken ihn, ebenso wie Alltagsrassismus, schlicht nicht einmal mehr.

Als Demokrat stehe ich klar und deutlich gegen Rassismus jedweder Form. Auch erkenne ich klar, dass es nötig und geboten ist, sich ihm entgegen zu stellen, wo auch immer man ihn entdeckt. Die Frage, die ich mir aber stelle, ist: ist jetzt die Zeit dafür? Ist es sinnvoll, wenn sich Menschen zu Tausenden, eng aneinander gedrängt und ohne Mundschutz, zu Demonstrationen treffen? Und wenn ich so etwas erlaube, wie rechtfertige ich dann, dass ich zur selben Zeit Sportveranstaltungen und Konzerte nicht genehmige?

Ich möchte nicht in der Haut derjenigen stecken, die darüber entscheiden müssen, ob man eine solche Demonstration genehmigt oder nicht. Denn auch, wenn da sprichwörtlich zwei Herzen in meiner Brust schlagen: ich würde es ganz klar in der aktuellen Pandemiesituation nicht tun. Und tue ich es, kann ich nicht ernsthaft vom Bürger erwarten, dass er Verständnis dafür zeigt, dass ich Demonstrationen genehmige, bei denen Abstand und MNS mit der Lupe gesucht werden müssen, aber Sport und Konzerte nicht. Und wer möchte sich schon hinterher vor der Presse verantworten müssen, wenn er eine #blacklivesmatter Demonstration nicht genehmigt? Die Bezeichnung als Rassist, Faschist und Nazi ist demjenigen sicher. Auch ich werde für diese Ausführungen hier wieder gescholten werden, das ist mir völlig klar.

Nein, das ist keine einfache Entscheidung. Aus Angst vor schlechter Presse allerdings lieber ein potentielles Superspreader-Ereignis zu tolerieren, halte ich persönlich für grundlegend falsch.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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