Eigentlich wollte ich zu dem Thema Flüchtlinge gar nicht viel sagen. Eigentlich wollte ich, entgegen meiner Gewohnheit, das Thema mehr oder minder kommentarlos vorbeiziehen lassen, wissend, dass die Welt yet another comment dazu nicht vermissen wird und dass an sich alles, was zu sagen ist, bereits gesagt wurde, nur noch nicht von Jedem. Eigentlich. Und dann las ich von dem drecksverschissenen Extremistenpack besorgten Bürger, der es für eine gute Idee hielt, auf ein Flüchtlingsmädchen zu urinieren und schwups, da waren sie schon: urzeitliche Instinkte, Wut und das unbändige Verlangen, diesem elenden Arschloch besorgten Bürger seinen Urin in Körperöffnungen wieder einzuführen, die für Urin so ganz und gar nicht von der Natur vorgesehen waren.

Das brachte den Pragmatiker, Realist und “Diplomaten” in mir dann doch erstmal zum Verstummen. Ich bin gewiß keiner, den man sehenden und wachen Auges ernsthaft in die rechte Ecke stellen kann, dennoch habe ich mit zunehmendem Alter die Fähigkeit entwickelt, den prä-jugendlichen, linken Troll in mir zu zähmen und Dinge realistischer und manchmal auch gelassener zu sehen. Gerade neulich erst brach ich erneut eine Lanze für den Diskurs im Gegensatz zur “Intoleranz gegenüber Intoleranz”. Generell ist einem nach meinem Dafürhalten mit einem sinnvollen Diskurs und der Diskussionsbereitschaft auch und gerade intellektuell und gesinnungsmäßig Minderbemittelten, sprich Extremisten jedweder Couleur, besser bedient, als mit einer strikten “No Tolerance” Policy. Warum? Ganz einfach, mit Letzterer nehme ich jenen die Chance, ihr Irren zu erkennen und daraus zu lernen.  Außerdem ist Intoleranz den Intoleranten gegenüber kein Stück besser als das, dessentwegen man überhaupt erst diese Policy aufstellte. Und zu guter Letzt ist es immer sinnvoller, den “politischen Gegner” zu beschäftigen, mit ihm in ständigem Diskurs zu treten, als ihn ungehindert machen zu lassen, was allerdings genau das ist, was passiert, wenn man aus – “gut” gedachter, aber in sich logisch falscher – Überzeugung den Diskurs mit ihm meidet. Und dennoch fehlt mir diese Toleranz gegenüber den beiden rechtsradikalen Kackfratzen besorgten Bürgern aus Berlin, obwohl ich doch erst neulich noch Anderes predigte.

Doch warum? Ganz einfach. Ich hab da eine ziemlich klare Linie gezogen, schon immer, und diese klare Linie heißt Gewalt. Gewalt geht gar nicht. Ob das jetzt Gewalt gegen Flüchtlinge oder Immigranten oder Behinderte oder Ältere oder [Randgruppe einfügen] ist, Gewalt geht gar nicht. Das ist meine rote Linie. Als i-Tüpfelchen des Ekels und der Abartigkeit kommt dann hier an der Stelle noch das Urinieren auf das Flüchtlingsmädchen hinzu, eine Geste der Demütigung und Entmenschlichung des Opfers sondergleichen. Das, noch viel mehr als die Gewalt oder das Klopfen rechtsextremer Sprüche im Vorfeld, zeigt sehr deutlich, wes Geistes Kind explizit diese beiden rechtsextremen Hirnverweigerer besorgten Bürger sind und hätte erregteste Zustimmung von Männern wie Heydrich, Himmler und Hitler gefunden und das ist es letztlich dann auch an der Stelle, was meine Toleranzgrenze überschritt. Auch die Ausschreitungen in Heidenau taten dazu Ihr Übriges.

Immerhin, unsere Aussitzerin Kanzlerin Angela Merkel hat, besser spät als nie, für Ihre Verhältnisse deutliche Worte für all dies gefunden. Zugegeben, sie hat sich da sehr diplomatisch geäußert, genau genommen hat sie sich in der von mir o.g. Art und Weise geäußert, diplomatisch, diskursoffen. Gut, muss sie als Kanzlerin. Sie kann als Kanzlerin Folgendes tatsächlich nicht sagen:

Liebe besorgten Bürger,

ich will Euch zu Gute halten, dass Ihr es zu Beginn gut meintet. Ich will Euch zu Gute halten, dass da initial echte Besorgnis da war, dass Ihr Euch wirklich sorgtet und schlicht an irgendeiner Stelle des Weges in einem Anfall geistiger Umnachtung falsch abgebogen seid und aus Versehen verkehrt – nämlich rechts – abgebogen seid. Das macht nichts, irgendwann im Leben hat die Phase fast jeder mal, aber jetzt ist auch mal gut, Ihr müsst doch jetzt so langsam auch mal wieder zurückkommen in die Realität, in den Teil des Universums, in dem wir anderen auch alle leben. Ihr könnt doch nicht dauerhaft in dieser Parallelwelt bleiben, das hat doch keinen Sinn. Und wenn Ihr in Eurer Parallelwelt bleiben wollt, gut, dann tut das, aber hört um Gottes Willen auf, zu behaupten, Ihr sprächt für uns alle. Tut Ihr nicht. Für mich spricht niemand außer mir selbst, danke. Solange sie sich in die Gesellschaft integrieren, sich an unsere Gesetze halten und keinem was zu Leide tun, sind mir sämtliche Flüchtlinge und Ausländer lieber, als Ihr.

Sie nehmen uns die Jobs weg, sagt Ihr. Wenn Euch ungelernte und fachfremde Menschen, die noch nicht einmal unsere Sprache mehr als brüchig und in Brocken verstehen teilweise, einen Job wegnehmen können, dann kann es ja um EURE Kompetenz und Befähigung nicht allzu gut bestellt sein, oder?

Sie nehmen uns die Frauen weg, sagt Ihr. I lol’ed. Als ob kleingeistige Stumpfhirne wie Ihr jemals die Chance hatten, von irgendwem sonst als Mutti und vielleicht noch der gutbürgerlich-arischen Edelgunde (die heutzutage ja eh Schakkeline oder Schantalle heißt, machen wir uns doch nix vor) geliebt zu werden.

Der Staat habe Geld für Flüchtlinge, aber nicht für das eigene Volk, sagt Ihr. Ist das so? Der Staat gibt in 2 Wochen mehr für Euch Nullhirne aus, als in einem gesamten Jahr für Flüchtlinge. Alleine in die Bildung investiert der Staat um Einiges mehr als in Flüchtlinge, und wenn ich mir Pegida und co. so ansehe, muss ich leider sagen, dass der Staat sich dieses Geld lieber hätte sparen sollen, denn genützt hat es ja nichts, Ihr seid trotzdem strunzdumm.

Und nun zu Euch, Ihr verkappten Drecksnazis, Ihr dummdreisten Extremistenbratzen und verkackten faschistoiden Nullhirne. Ja, Euch meine ich. Ihr, die Ihr denkt, andere Menschen zu verletzen, zu demütigen und schlimmstenfalls zu töten, nur, weil Sie anderer Herkunft sind, eine andere Hautfarbe haben oder einer anderen Wahnvorstellung Religion angehören. Mag sein, dass in Eurer verqueren Sicht der Dinge all dies irgendwie berechtigt erscheint. Mag sein, dass, wenn man statt eines funktionierenden Gehirnes nur verwelktes Braunlaub im Schädel mit sich rumschleppt, all dies irgendwie ok und gerechtfertigt ist. Ich sage Euch: ist es nicht. Dieses Land, welches Ihr angeblich so voller Stolz und Patriotismus zu verteidigen bereit steht, hat sich vor einigen Jahrzehnten bereits zu einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt und wisst Ihr was? Antidemokratisches, menschenverachtendes und abartiges Dreckspack wie Ihr es seid, passt hier nicht rein, so einfach ist das. Bevor auch nur ein Flüchtling abgeschoben wird, gehört Ihr abgeschoben, ist mir egal, wohin. Ihr schimpft Euch Deutsch. Ich schäme mich, derselben Nationalität anzugehören, wie solche Idioten und das sage ich als einer, der i.d.R. von Gefühlen wie Scham zur Nationalität und Nationalstolz/Patriotismus gleichermaßen Abstand hält, sondern dem Zufall, wo ich geboren wurde, schlicht keinerlei Wert und Bedeutung beimesse. Verpisst Euch aus unserem Land. Wir wollen Euch hier nicht. Ihr beherrscht die Sprache nicht, Ihr tragt nicht zum Erhalt und zur Fortentwicklung der Gesellschaft bei und habt keinerlei erkennbaren Mehrwert. Euer Verhalten, Eure Aktionen, Eure Gesinnung, alles an Euch ist abartig, menschenunwürdig und verabscheuenswert. Ich möchte nicht mit sowas in einem Land leben müssen, also verzieht Euch bitte. Danke.

Und so schwinden sie dahin, meine mühsam aufgebaute Toleranz, mein Diskurs, mein Pragmatismus. Jahrelang erlernte Dinge dahin dank eines Pissers.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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