Tag der Menschenrechte

Immer, wenn wir von allgemeingültigen Rechten sprechen, wird es schwierig. Menschen als solche sind ein sehr inhomogenes Gebilde und viele Dinge, die wir auf der einen Seite so definieren, definiert man auf der anderen Seite völlig anders. Mit Rechten ist das ähnlich: es gibt mindestens so viele unterschiedliche Rechtsauffassungen auf unserem Planeten, wie es Staaten gibt. Manch einer sagt scherzhaft gar, es gäbe so viele, wie es Anwälte gibt.

Menschenrechte haben einen Gedenktag

Am 10.12. ist der internationale Tag der Menschenrechte. Dieser wurde im Jahr 1950 durch eine UN Resolution als solcher proklamiert, nachdem 1948, ebenfalls am 10.12., die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet worden war. Gemeinhin versteht man unter dem Begriff Menschenrechte moralisch begründete, unveräußerliche individuelle Freiheits- und Autonomierechte, die jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins gleichermaßen und universell zustehen. Darunter subsumiert man in der Regel bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale, kulturelle Rechtsansprüche. Eine Vielzahl von Staaten unseres Planeten haben zudem internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert oder explizite Erwähnungen ebenjener in ihren jeweiligen Verfassungen aufgenommen.

Die Vorstellung, dass es solche unveräußerlichen, allgemeingültigen Menschenrechte gibt, ist indes keine rein neuzeitliche oder gar westliche. Schon 538 v. Chr. finden sich mit dem Kyros-Zylinder aus Persien Hinweise auf die Idee unveräußerlicher, für jeden Menschen geltender Menschenrechte. In beinahe jeder Epoche der Menschheitsgeschichte lassen sich solche Beispiele finden und stellen sehr oft den Kern religiöser, gesellschaftlicher und kultureller Wertvorstellungen dar. Noch viel früher als beispielsweise der Kyros-Zylinder, spricht der Codex Ur-Nammu aus Mesopotamien aus dem Jahre 2100 v. Chr. von einem Recht auf Leben. Das Wesen dieser Menschenrechte, egal welcher Epoche, steht indes in der Regel auf 4 festen Säulen: Allgemeingültigkeit, Gleichheit, Unveräußerlichkeit und Unteilbarkeit. Menschenrechte gelten für jeden Menschen gleich, überall und jederzeit. Sie können nicht abgetreten werden und müssen stets in ihrer Gesamtheit verwirklicht sein.

Ist gleich wirklich immer und überall gleich?

Durch alle Epochen hinweg zieht sich aber auch wie ein roter Faden, dass eben nicht alle Menschen gleich sind. Manche denken, sie sind gleicher, besser, über solche Normen erhaben oder nicht gezwungen, sich an sie zu halten. Wir erleben das auch heute, in unserer angeblich aufgeklärten Zeit. Wir, die wir uns für die Krone der Zivilisation halten, haben es bis heute nicht geschafft, diese Menschenrechte überall und komplett durchzusetzen. Dies liegt nicht zuletzt auch an unseren nach wie vor existierenden, unterschiedlichen sozialen, kulturellen, religiösen und wirtschaftlichen Vorstellungen, Überzeugungen und Grundsätzen. Der Mensch ist nun mal nicht homogen und von Grund auf mehr dem Ego verhaftet, als der Gemeinschaft. Diesen, in der Science Fiction völlig normalen und als Grundstatus vorausgesetzten, Status der Gemeinschaft des gesamten Planeten Erde haben wir noch lange nicht erreicht und ob dieser noch in unser aller Lebensspanne möglich sein wird, ist fraglich.

Wir Menschen der Neuzeit gefallen uns auch gerne in der Rolle des Aktivisten, des guten Menschen und des Heilsbringers durch schöne Worte und symbolische Taten. Besonders deutlich wird dies immer durch Aufrufe zum Boykott hier und möglichst viel hochtrabendes Gerede da. Wir sind keine Spezies der Taten mehr, wir reden. Wir akademisieren jedes Thema und glauben, damit sei genug getan. Selbst Aktivismus beschränkt sich heutzutage in der Regel auf relativ sinnfreie Taten, die bestenfalls am eigentlichen Problem nichts ändern, ihm schlimmstenfalls gar Vorschub leisten. Symbolische Güte ist etwas, dass wir zur höchsten Kunstform gebracht haben. So boykottieren wir auf Social Media großspurig Dinge wie böse Firmen, die Weltmeisterschaft in Katar oder das Oktoberfest. Gesagt ist vieles schnell, getan jedoch eher nicht. Das Oktoberfest bleibt gut besucht, die Weltmeisterschaft wird geschaut und obwohl niemand zu McDonalds geht, Nestlé Produkte kauft oder die BILD liest, erfreuen die sich alle durchgehend bester Geschäftszahlen.

Der Weg ist lang und steinig

Wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns. Und dieser ist keineswegs einfach, sondern erfordert Aufmerksamkeit und stetige Wachsamkeit. Denn Menschenrechte sind sehr schnell ausgehöhlt und negiert, wenn man nicht aufpasst. Und dabei ist es keineswegs nötig, in weite Ferne zu schauen, wie zum Beispiel nach Katar, in den Iran oder nach China. So möchte unsere aktuelle Innenministerin, Frau Nancy Faeser, Maßnahmen und Veränderungen einbringen, um Verfassungs- und Demokratiefeinde “schneller loszuwerden“. Um das zu erreichen, möchte sie ganz gerne, dass man Straftätern ihre Straftat nicht mehr “kompliziert nachweisen” müsse, sondern dass diese Beweislast bei den Betroffenen liegen sollte. Damit greift sie ein grundlegendes Prinzip demokratischer Rechtssprechung an: die Unschuldsvermutung. Grundsätzlich hat sie natürlich mit Einem Recht: Staatsbedienstete, die den Staat, dem sie dienen, ablehnen und die ihn stürzen wollen, sind eine Gefahr und gegen diese ist mit allen Mitteln demokratischer Staatsgewalt vorzugehen. Dabei die Grundfesten demokratischer Rechtssprechung selbst anzusägen kann und darf aber nicht die Lösung sein. Es ist schon gut und richtig, dass der Staat Straftätern ihre Straftat – oder die Planung einer solchen – nachweisen muss, bevor er sie verurteilen darf.

Das Ding mit den Menschenrechten ist und bleibt schwierig. Es erfordert mehr als schöne Worte. Es erfordert Aufmerksamkeit und Wachsamkeit von uns allen und das nicht nur in der Ferne, sondern auch daheim.

Konsequenz und zu den schönen Worten stehen

Ich wünsche uns, als Menschheit, dass wir künftig zu unseren Worten stehen. Wenn wir schlimm finden, was in Katar, China, Iran und co. passiert, sollten wir auch die Chuzpe, den Anstand und den Mut besitzen, uns Katar, China, Iran und co. gegenüber so zu verhalten, dass es zu unseren hochtrabenden Worten passt. Auf politischer, diplomatischer und kultureller Ebene wird das schwierig, keine Frage. Wenn wir jene verprellen, mit denen wir trotz ihrer von uns empfundenen Defizite bei den Menschenrechten gute, lukrative Beziehungen haben, müssen wir schauen, wie wir diese im Zweifelsfall ersetzen und ausgleichen können. Da tut man sich als Staat schwer, völlig nachvollziehbar.

Auf persönlicher Ebene mag dies einfacher sein. Dann schaut man halt die WM nicht. Dann googlet man auch die Ergebnisse nicht. Kauft keine Waren aus China. Es wird auch klar, worauf das hinausläuft: niemand von uns wird als Einzelperson auch nur näherungsweise etwas an diesen Missständen ändern. Dies kann nur auf staatlicher Ebene geschehen. Denn unsere Boykotts, die wir häufig nur ausrufen, aber selten durchziehen, beeindrucken niemanden. Haben sie auch noch nie. Dazu fehlt es ihnen an Konsequenz und Wirksamkeit.

Wir haben noch viel zu tun. Vielleicht fangen wir bei uns selbst an.

Von badidol

badidol wurde 1981 geboren. Er arbeitet seit fast 20 Jahren im und am Internet als Community Manager (fast 15 Jahre beim selben Arbeitgeber), Social Media Manager, Moderator und verkauft dabei Eskimos Kühlschränke. Er spricht fließend Sarkastisch. In der Jugend linke Socke, als junger Erwachsener eher sozialliberal und mittlerweile von konventionellen Schubladen genervt. Atheist, Pragmatiker und Realist.

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